Einleitung: Will man das Verhältnis zwischen Homosexualität und Medien analysieren und dabei herausfinden, was die Thematik für die Medien bedeutet und was die Medien für diese Thematik bedeuten, dann ist ein solcher Versuch (zunächst) nichts anderes als die übliche und schon weithin abgegriffene Beschreibung der Rolle von Sexualität in den Medien (meist reduziert auf „sex sells“) und umgekehrt (meist reduziert auf Aufklärung), wäre da nicht ein differenzierender Faktor: nämlich die Sonderheit von Homosexualität. Sie ist, wie zu beschreiben sein wird, für Medien bzw. für die mediale Durchsetzung der gesellschaftlichen Konversation von spezifischer Attraktion. Man weiß mittlerweile in aufgeklärten und säkularen Gesellschaften, dass diese Sonderheit natürlich ist, aber nicht natürlich relevant. Die Auffälligkeit ist ein Faktum der kultürlich differenzierenden Wahrnehmung und Einschätzung, die zunächst durch das statistisch gewichtende Argument der Aufteilung in eine heterosexuelle Mehrheit und eine homosexuelle Minderheit gestützt wird. Diese Gewichtung ist (nur) eine kultürliche Beschreibung einer natürlich natürlichen Vorfindlichkeit. Jede Beobachtung von Natur aber ist kultürlich, kulturell konzipiert. Sie formt die Natur im Wege der Objektivierung (Vereinzelung, Vergegenständlichung) und macht so ein Objekt der ihm durch Gebrauch zugeschriebenen Bedeutung wegen vom anderen unterscheidbar. Die Unterscheidung ist kultürlich, der Unterschied natürlich. Die Feststellung des Unterschieds ist eine kulturelle Erschließung von Natur wie auch schon die Feststellung der Natürlichkeit (z.B. der Sexualität) das Ergebnis einer unterscheidenden Beobachtung (Foerster, 1985) ist und in eben diesem Sinne ein kultureller Akt, eine kulturelle Auswertung der Beobachtung (Edgar, 1991, S. 75-84). Zunächst sind die Natürlichkeit des Geschlechts und die Kultürlichkeit der Geschlechtsdarstellung bzw. der Geschlechterbegegnung zwei Paar Schuhe, es sei denn, man hält Kultur für natürlich definiert.
Das wiederum kann man nur, wenn man die Natur nicht als ein aus sich sich entwickelndes Programm versteht, sondern als Kreatur, als geschaffene Materie, die mit einem Plan versehen, der ihr durch (göttlichen) Willen inhäriert worden wäre und auf dessen Erfüllung sie bis zu ihrem Zusammenbruch („Weltuntergang“) festgelegt sei. Dass die Natur eine kulturell unterschiedliche Wertung in sich schon einschließe und vorgebe (was natürlich und was unnatürlich ist) kann man nur annehmen, wenn man glaubt, die Natur sei ein durch (göttlichen) Willen geschaffenes Programm, das auch wieder durch (göttlichen) Willen beendet würde – und dessen Beendigung vor allem dann drohe, wenn man sich von dem Programm durch den unnatürlichen Gebrauch der ihr inhärenten Kultur absondere (Sünde). Vor allem Kreationisten und andere, meist biblisch-religiös fundierte kulturkonservative Positionen wehren sich gegen eine solche (konstruktivistische) Annahme der kulturellen Unbestimmtheit von Natur, indem sie das Dogma ausgeben, dass die Ordnung (Ästhetik und Ethik) der kultürlichen Welt ihr (auch schon) qua Natur (Kreatur) als eine Art endogenes intelligentes Design mitgegeben sei (Schönborn, 2005), woraus sie (meinen) folgern (zu können), dass jede Abänderung daher auch einen Bruch mit einer natürlich vorgegebenen Kultur (Sonderheit als Sünde, Sünde als Absonderung) sei. Der Glaube, dass Homosexualität unnatürlich und ein Bruch mit einer (gottverschriebenen) Kultur sei, hat sich durch die Dominanz der christlich-theologischen Interpretation von Natur über Jahrhunderte in unser Kulturprogramm eingeschrieben. Er hat Homosexualität – durch emotionelle pejorative Geschmacksverstärker (Homophobie, sexuelle Tabus) in einem faschistoiden Aufwisch, gekennzeichnet durch Dogmatismus und Autoritarismus (Bauer, 1982) – über eine lange Geschichte der kulturellen Dominanz von ideologisch fundierten Institutionen (alten Typs: Hierarchie) zu einem Objekt der gesellschaftlichen Hassliebe gemacht. …