Einleitung:
„Vörtrefliche Schönen! die einst barbarische Männer so tief in den Staub drückten; die Euch nur zu den niedrigsten Verrichtungen des Lebens verstießen; die nur Eure Herrn, niemals Eure Gatten seyn wollten. Preiset mir die glücklichen Zeiten, da diese Vorurtheile verschwinden. Noch giebt es zwar finstre Männer; und empfindungslose Frauen, die Euch noch gerne im Staube herumkriechen ließen; allein auch diese häßlichen Gestalten nehmen täglich ab, und baldbald werdet Ihr alle in Ruhe Eure müßigen Stunden, der Besserung Eures Herzens, und der Aufklärung Eures Verstandes widmen können. Wie sehnlich wünschen wir es Euch; dann wird die Liebe zum Lesen und zum guten Geschmacke, die üble Laune, Langweile, den Gott des Spiels, und die Göttin der Verläum- dung, von Euch verbannen. Sie werden fliehen, und Vernunft und Tugend, mit Hymnen vereint, werden herabsteigen, um Euch zu umarmen, Euch zu beglücken, und Eure Schläfe mit segnender Wohlfahrt zu krönen.“ (Der österreichische Patriot, Wien 1764)
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einer Auswahl von Wiener Zeitschriften der 60er, 70er und 80er Jahre des 18. Jahrhunderts, die laut Titel des Periodikums, Vorwort oder Anmerkungen der Verfasser sowohl an Frauen als auch an Männer gerichtet waren. Die Blätter, die untersucht wurden, sind von in Wien ansässigen Wochenschriftstellern verlaßt worden, vereinzelt wurden auch Periodika herangezogen, die in deutschen Übersetzungen nach Österreich gelangten und hier aufgelegt und verbreitet wurden, beziehungsweise einige der sogenannten Sittenschriften und Broschüren.
Die ersten bekannten Wochenschriften, die vermutlich dem Vorbild der früheren englischen und deutschen Moralischen Wochenschriften folgten, erschienen in Wien erst zu Beginn der 60er Jahre. Zu den populärsten zählen die auch heute am häufigsten zitierten Blätter von Christian Gottlob Klemm, Joseph von Sonnenfels, Johann Rautenstrauch, Joachim Perinet, um nur einige zu nennen. Daneben existierte eine Vielzahl von Zeitschriften von durchaus unterschiedlicher Lebensdauer, deren Inhalte sich an Leser beiderlei Geschlechts wandten. Die Bedürfnisse der Wiener Leserin waren durch das Erscheinen der vermutlich längst erwarteten stadteigenen Blätter gedeckt – die Verfasser ihrer Lektüre sollten aber (im Unterschied zum französischen oder deutschen Zeitschriftenangebot) immer noch männlichen Geschlechts sein. …