Editorial 2/2021

Diotima Bertel, Gaby Falböck, Anna Klail

Verletzbarkeit stellt „ein unhintergehbares Faktum menschlicher Existenz“ (Zirfas 2020, 142) dar. Als Thema der Kunst in ihren vielfältigen Darstellungsformen begegnet uns Vulnerabilität durch alle Epochen hindurch und innerhalb sämtlicher gesellschaftlicher Ebenen und Lebensphasen. Götter und Göttinnen, Königinnen und Könige, KriegerInnen und HeroInnen, Adel und BürgerInnentum, Bauern, Bäuerinnen und HandwerkerInnen können aufgrund einer unerwarteten politischen oder wirtschaftlichen Krise, einer Fügung des Schicksals, eines Unfalls, einer Krankheit, kurzum aufgrund eines unabsehbaren Ereignisses aus ihren vermeintlich stabilen Plätzen in den Rängen des sozialen Gefüges katapultiert werden. Der Mensch ist verletzlich: In seiner Körperlichkeit, seiner Psyche wie auch seinem sozialen Sein. Wer trotz der ästhetischen Impulse zur Stiftung von Sensibilität für diese Conditio Humana Zweifel gehegt haben sollte: Spätestens die Entwicklungen der letzten beiden Jahre, in denen eine vermeintlich mit Sicherungssystemen ausgestattete, technologisch hochentwickelte und in ihren sozialen Grundstrukturen moderne, aufgeklärte Gesellschaft mit einer gewaltigen medizinischen und sozialen Krise konfrontiert wurde und die (Vor-)Zeichen einer lange ignorierten ökologischen Krise unübersehbar werden, verdeutlichten den reichen westeuropäischen Gesellschaften ihre Vulnerabilität.

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