Einleitung: Unter Reality-TV wird gemeinhin folgendes verstanden: Privatleute, also Nicht-Journalisten, sind zufällig mit einer Videokamera bei einem spektakulären Geschehen (Katastrophe, Verbrechen, Unfall etc.) anwesend und nehmen es auf. Diese Bilder werden dann von einem TV Sender ausgestrahlt, wobei behauptet wird, sie dienten der Information – in Wahrheit dienen sie aber der Unterhaltung.
Diese Definition von Reality-TV ist viel zu eng. Das Verhältnis des Fernsehens zur Realität ist wesentlich vielschichtiger, komplexer, als dieser relativ neue Auswuchs des Sensalionalismus begreifen läßt. Im vorliegenden Beitrag soll es darum gehen, zu zeigen, daß das Fernsehen in wesentlich umfangreicherer Weise Reality-TV ist, daß es letztlich den Begriff der Realität selbst zur Disposition stellt. Dabei wird historisch vorgegangen, es wird rekonstruiert, wie der frühe Umgang des Fernsehens mit der Realität ausgesehen hat, welche technischen Voraussetzungen der moderne TV-Produktionsprozcß hat, und wie dieser Produktionsprozeß die strukturellen Charakteristika dessen transformiert, was uns eben „Realität“, also Wirklichkeit heißt. In dieser historischen Rekonstruktion sollen die verschiedenen Formen von Reality-TV betrachtet werden, die das Fernsehen im Verlauf seiner Entwicklung hervorgebracht hat: Von der frühen Live- Übertragung politischer Veranstaltungen über die Sportübertragung, die Live-Show, die „Versteckte Kamerad- Spiele, die politische Live-Diskussion, die durch die Magnetaufzeichnung immer schneller werdende TV- Berichterstattung bis hin zu dem, was eben „Reality-TV“ im modernen, aber zu eingeschränkten Sinn heißt, wie es oben definiert wurde.
Der vorliegende Beitrag verwendet wenig Literatur zum Thema; er versucht stattdessen, durch eigene Reflexion und unter Rekurs auf die historischen Tatsachen, zur Begriffs- und Theoriebildung in dem noch wenig erforschten Bereich des „Reality-TV“ beizutragen. …