Einleitung: Biographische Studien stoßen zuweilen schon durch die Person, die sie zu beschreiben versuchen, an ihre Grenzen. Sie verharren im Lebenslauf des Subjektes ihrer Fragestellung, schauen nicht nach links oder rechts und vermitteln ideale Historienbilder, die beinahe niemand zu hinterfragen imstande ist, so unangreifbarerscheinen sie.
Dennoch: Es gibt eine Struktur in der Geschichte, in der solche Biographien nur einzelne Fäden sind, ohne die sie selbst keine Bedeutung für das Ganze haben. Dieser Beitrag bemüht sich daher, die Begrenztheit zahlreicher herkömmlicher biographischer Untersuchungen zu verlassen und den Lebensweg des jüdisch-slowakischen Dichters Hugo Sonnenschein, genannt „Sonka“, vor seinem gesellschaftspolitischen Hintergrund nachzuzeichnen. Es geht um die Frage, wie sich die nichtopportune Intelligenz in Österreich, und Sonka gehörte nun einmal dazu, unter den politischen, kulturellen und sozialen Auswüchsen des nationalsozialistischen Regimes verhalten hat, wie rigide regimekritischen Kreisen ihre Artikulation versagt wurde und wie viele heute noch mit makelloser Reputation behaftete Literaten sich damals durch einen erstaunlichen Opportunismus „auszeichneten“ (z.B.: Grete Urbanitzky, Felix Salten, Karl Schönherr, Paula Grogger, Erna Blaas). Es ist sicher nicht übertrieben festzustellen: Das Ziel faschistischer Kulturpolitik, die radikale Reglementierung und gesteuerte Vernichtung der zeitgenössischen Literatur, die auch vollinhaltlich so betrieben wurde („Der Jude kann nur jüdisch denken. Schreibt er deutsch, dann lügt er …“ (zit. n. Amann, 1983, S. 17)), hält in ihren Nachwirkungen bis heute an. Eine Ncuentdeckung von zu Unrecht vergessenen oder verschollenen Autoren zeichnet sich erst in den letzten Jahren ab.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Anthologie AImanach der Vergessenen (Schöffling, Schütz, 1985) mit ausgewählten Gedichten von 40 vergessenen Lyrikern, die allesamt der „Säuberungswelle“ des Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Hier finden sich neben Hugo Sonnenschein auch Namen wie Hugo Ball, Albert Ehrenstein, Paula Ludwig, Berthold Viertel und Paul Zech.
Wie schwierig es ist, in manchen Fällen das künstlerische Werk dieser Schriftsteller zu orten und aus der Versenkung zu holen, zeigt sich bereits in der Quellenlage oder am Mangel an wichtigen Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt haben.
Im Jahre 1976 hatte der schon über achtzigjährige Hans Sahl die Dringlichkeit der Sache bewußt zu machen versucht und in einem Gedichtband formuliert:
„Wir sind die Letzten.
Fragt uns aus.
Wir sind zuständig.
Wir tragen den Zettelkasten
Mit den Steckbriefen unserer Freunde
Wie einen Bauchladen vor uns her (…)“
(Sahl, 1976, S. 7)
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