Einleitung: Die ereignisvielfältigen zwei Jahrzehnte zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg erscheinen mir heute in der Erinnerung fast wie ein geschlossenes Ganzes. Eine absteigende Linie trat in meinen äußeren Lebensumständen erst durch den „Umsturz“ des Jahres 1934 ein. Aber auch dieser beließ mich im gewohnten Milieu und in den alten Beziehungen, deren wirklich gefühlsmäßig fest gegründete auch mein berufliches und politisches Ungemach überdauerten. Ich setze zunächst daher die Erzählung, vielmehr Schilderung in der einheitlichen Richtung fort […]
Es war, so scheint es in der Rückschau, eine sorglose Welt. Sie war es natürlich nicht … … Kämpfe, Spannungen, Ungewißheiten, Ungerechtigkeiten erfüllten auch sie. Ihr Traum-Zauber entfloß vielmehr einer gewissen Nichtbeachtung der geänderten, namentlich der politischen, Umstände und Bedingungen. Diese wurden nun nicht einfach übersehen, aber der Abbröckelungsprozeß, den sie auch psychologisch an dem so organisch anmutenden Gesamtgebilde unserer Existenz vollzogen, nicht zur Kenntnis genommen. Wir unterschätzten die nunmehrige Kleinheit des Landes in jedem Sinne trotz der Mahnungen der Volkswirtschaftler. Wir lebten mit intellektuellem und sozialem Elfenbeinturm-Starrsinn an der Oberfläche einer unterirdisch sich folgerichtig vorbereitenden Aushöhlung. Wir leugneten die vor unseren Augen sich vollziehende Veränderung des Volkscharakters oder vielmehr dessen Anpassung an die prekären Lebenstatsachen. Wir fuhren alljährlich nach Oberösterreich oder ins Salzburgische, in die Steiermark oder nach Tirol und ignorierten die schon historisch gewordene Spaltung unserer Heimat in zwei volksklimatisch völlig heterogene Gebiete…