Friedrich B. Panzer: Zur Entwicklung literarischer und politischer Öffentlichkeit in den fünfziger Jahren

Einleitung

„ACHTUNG:
Was besteht ist veraltet“
(Oswald Wiener)

Die Kulturpolitik aller österreichischen Parlamentsparteien war nach 1945 vom Wunsch gekennzeichnet, eine Kultur (wieder-)erstehen zu lassen, die sich kaum von der im Ständestaat proklamierten „österreichischen Mission“ unterschied. Sprach der kulturelle Sprecher der Kommunisten, Ernst Fischer, von einer „österreichischen Aufgabe“ gegenüber der Welt, so meinte er im Grund dasselbe. Hans Heinz Hahnl schreibt in diesem Zusammenhang, daß Fischer ebenso wie die konservativen Kulturpolitiker dem „volksfremden Kosmopolitismus“ die österreichische Volkskultur gegenüberstellte. Kurz: Zwischen politischen und kulturellen Reaktionären ist zu unterscheiden. In Österreich allerdings vereinigten sich – vor allem in der Kulturbürokratie – oft beide Gesinnungen in einer Person.

Als wichtigste Strömung in der Zweiten Republik darf diese alte und zugleich neue Österreich-Idee angenommen werden. Nicht nur, daß sie als Abgrenzung gegenüber Deutschland gedacht war (wobei sehr bald der ökonomische und kulturelle „Anschluß“ an die BRD folgen sollte), sie war auch Grundlage eines weitgehenden Konsenses in der Führung der politischen Parteien und Institutionen – selbst wenn Anfang der fünfziger Jahre Anschlußideen kurzfristig wieder en vogue waren.

Der (Neu-)Besetzung von Positionen in Staat, Gesellschaft und Kulturverwaltung folgte rasch eine einseitige Kunst- und Literaturförderung, die in dieser Form durchaus eine Novität war. Neu war die Lage nicht zuletzt deshalb, weil die wenigen überlebenden und zurückgekehrten Redakteure und Künstler, die zuvor als Oppositionelle galten oder flüchten mußten, einfach keinen Rückhalt fanden. Ihre kritischen Stimmen waren die Stimmen weniger – sie waren zu leise und wurden nirgendwo verstärkt. Vor allem aber trafen sie, wenn wie gehört wurden, meistens auf die verständliche, wenn auch nicht wünschenswerte Reaktion jener, die nicht an ihre eigenen „Fehler“ bzw. an die Mitschuld Österreichs an den nationalsozialistischen Verbrechen erinnert werden wollten. Wie sollte in dieser Atmosphäre – die auch von ehemaligen NS-Gegnern mitgetragen wurde – eine kritische Presse oder eine engagierte Literatur entstehen können? Eine einflußreiche, konsensbedachte Mehrheit stand einer verschwindend kritischen Minderheit gegenüber. Personen, die sich dem diktierten gesellschaftlichen Konsens nicht fügen wollten, waren wie Ernst Fischer oder Viktor Matejka bald aus dem offiziellen öffentlichen Leben verschwunden – mit ausschlaggebend war der wieder aufbrechende Konflikt zwischen Ost und West. …