Editorial 4/2019

Christoph Classen (Potsdam), Erik Koenen (Leipzig), Christina Krakovsky (Wien),
Mike Meißner (Fribourg) & Bernd Semrad (Wien)

Mit der letzten Ausgabe des Jahres 2019 setzt medien & zeit das Konzept eines offenen Heftes fort. In Ergänzung zu den vielfältigen und thematisch fokussierten Schwerpunktheften bietet das Offene Heft ein Forum, um die Bandbreite kommunikations- und medienhistorischer Forschung in einer Ausgabe abzubilden. Damit bedient das Format ein gegenwärtiges Bedürfnis – nicht zuletzt von jungen WissenschaftlerInnen – innerhalb der deutschsprachigen Kommunikations- und Mediengeschichte, wie die Einreichungen deutlich zeigen. Insofern ist es das Anliegen der HerausgeberInnen, weiterführende Diskussionen und Forschungen mit den AutorInnen anzuregen.

Wir freuen uns, dass das Format weiterhin gut angenommen wird. Aus Sicht der HerausgeberInnen hat sich die Umgestaltung des Einreichprozederes im Sinne der Einladung von Extended Abstracts anstelle von Vollbeiträgen positiv ausgewirkt. Deshalb wird dieser Weg fortgesetzt (siehe Call for Papers im Anschluss an dieses Editorial). Aus den insgesamt 13 Einsendungen wurden im Double-Blind-Peer-Review Verfahren fünf Einreichungen ausgewählt und zur Ausarbeitung eingeladen, aus denen vier zur Publikation ausgewählt wurden. Erfreulich ist, dass auch in diesem Jahr Beiträge aus verschiedenen Ländern aufgenommen werden konnten. Gleichzeitig wurde die lohnende Institution beibehalten, einen bzw. eine GastherausgeberIn einzuladen. Für seinen Einsatz in diesem Jahr danken wir Christoph Classen (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam).

Den Auftakt zum inhaltlichen Teil gibt Lisa Bolz (Paris). Sie beschäftigt sich in ihrem Beitrag Die Übersetzungspraktiken der Nachrichtenagenturen im 19. Jahrhundert mit der Rolle von Nachrichtendepeschen und deren Übernahme durch das deutsche Wolff’sche Telegraphische Bureau einerseits und der französischen Havas andererseits und geht zudem auf deren Verwendung in Zeitungen ein. Dabei werden Unterschiede deutlich, die aufgrund der üblicherweise angenommenen Normiertheit der Meldungen überraschen.

Der Beitrag von Carmen Schaeffer (Berlin) Gegen „Schmutz und Schund“ in populärer Jugendliteratur. Die Reaktionen der LehrerInnenschaft auf den Medienwandel um 1900 beruht auf ihrer gleichnamigen Masterarbeit, die von der DGPuK-Fachgruppe Kommunikationsgeschichte mit dem Nachwuchsförderpreis 2019 ausgezeichnet wurde. Sie interessiert sich für die Debatten von LehrerInnen innerhalb ihrer Berufsverbände zur sog. Populärliteratur sowie die daraus resultierenden Aktivitäten. Neben medienpolitischen Vorstößen lag der Fokus insbesondere auf der Aufklärungsarbeit und der Auflistung sowie Verbreitung der aus Sicht der LehrerInnen ‚guten‘ Literatur.

Mit einem ähnlichen Zeitraum beschäftigen sich Maria Löblich und Niklas Venema (Berlin). In Ihrem Text Die SPD und ihre Frauenpresse. Die Gleichheit im Parteidiskurs nach Ausbreitung der Massenpresse fragen sie nach den Reaktionen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) auf den Medienwandel um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Unter Verwendung des Medialisierungsansatzes sowie des diskursiven Institutionalismus zeigen sie anhand des Beispiels der Parteizeitschrift Die Gleichheit, welche Ideen und Zwänge bestanden und warum die SPD auch nach deren Scheitern weder das Konzept der Parteipresse im Allgemeinen noch einer parteilichen Frauenzeitschrift im Speziellen ernsthaft in Frage stellte.

Kathrin Meißner (Erkner) analysiert in ihrem Beitrag Die ‚Mietskaserne‘ als planungskulturelles Narrativ der 1980er-Jahre. Zwei Fallbeispiele der Altstadt-Erneuerung in Ost- und West-Berlin auf diskursiver Ebene den öffentlichen Umgang mit dem Stereotyp der Mietskaserne. Die Historikerin bespricht dafür die Planungskulturen beider politischer Systeme im damaligen Deutschland und bringt sie in Zusammenhang mit deren Auffassungen von Öffentlichkeit und (Massen-)Kommunikation. Sie kann dabei zeigen, dass dieser Topos als negative Kontrastfolie die Planungsdiskurse sowohl in West- als auch in Ostberlin nachhaltig beeinflusst hat.

Eine interessante Lektüre wünschen

Christoph Classen (Potsdam), Erik Koenen (Leipzig), Christina Krakovsky (Wien), Mike Meißner (Fribourg) & Bernd Semrad (Wien).

Research Corner

In seiner Promotion widmet sich Ernst Theis einem Abschnitt der österreichischen Mediengeschichte, der bisher kaum Beachtung fand:Bereits 1923, also noch vor Gründung der Radio Verkehrs A. G. (RAVAG), ging der Radiosender Hekaphon in Betrieb. Der Musiksoziologe legt mit seiner Arbeit eine detailliert recherchierte Geschichte dieses Senders vor und leistet damit einen wertvollen Grundlagenbeitrag auch für die historische Medien- und Kommunikationswissenschaft.