Christa Mehany-Mitterrutzner: Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) Entwicklung – Projekte – Bestände im Überblick

Einleitung:

„Besonders wichtig war aber, daß wir hier im Haus auf das, andere Österreich‘ treffen konnten, auf jene Menschen, die alle ihre Erfahrungen mit dem Faschismus gemacht hatten und dabei auf der Seite der Opfer gestanden waren. Mit ihnen wurde für uns eine Perspektive auf die österreichische Geschichte unseres Jahrhunderts möglich, die weder Elternhaus noch Schule uns geboten hatten.“
Helmut Konrad, Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz,
anläßlich der DÖW-Jahresversammlung 1997

Dokumentation des „anderen Österreich“ – oder,,Dokumentationsarchiv eines in Wirklichkeit doch niemals existent gewesenen österreichischen Widerstandes“?‘ Am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) scheiden sich seit dessen Anfängen die (politischen) Geister. Schon die Gründung im Jahr 1963 durch ehemalige Widerstandskämpferinnen und Verfolgte des NS-Regimes gemeinsam mit einigen Wissenschaftlern war ein Akt der Selbstbehauptung: Die offensive Propagierung der „Opfertheorie“ durch das offizielle Österreich (vor allem nach außen) und die – mit Hinweis auf die politische Stabilität – vehemente Einforderung (nach innen), Vergangenes vergangen sein zu lassen, hatten den antifaschistischen Grundkonsens der unmittelbaren Nachkriegszeit bald abgelöst. NS-Opfer, die sich nicht in die Parteien integrieren konnten/ wollten, blieben politisch einflußlos und galten bestenfalls als unliebsame Zeuginnen jener Vergangenheit, die verdrängt werden sollte; Angriffe und Diffamierungen („Verräter“, „Feiglinge“ etc.) waren in einem innenpolitischen Klima, das von der Mehrheit – also den ehemaligen NS-Anhängern und -Mitläufern – bestimmt wurde, eher Regel als Ausnahme. Diese Grundhaltung machte sich auch gegenüber einer Einrichtung wie dem DÖW bemerkbar, das Widerstand und Verfolgung und damit auch deren Kehrseite, die massive Beteiligung von Österreichern an den NS-Verbre- chen, dokumentierte. Es sollte bis zum Jahr 1991 dauern, daß ein österreichischer Bundeskanzler offiziell daran erinnerte, daß nicht nur hunderttausende Menschen unseres Landes Opfer der NS-Diktatur wurden, sondern auch „viele Österreicher […] an den Unterdrückungsmaßnahmen und Verfolgungen des Dritten Reiches beteiligt“ waren…