Editorial 2/2020

Diotima Bertel & Julia Himmelsbach

“Von der Wissenschaft bis zum Alltagswissen, von der Wahrnehmung der Welt bis hin zur Erfahrung des eigenen Körpers, auf allen Ebenen sind wir nun technisch mittelbar Handelnde. […] Technologien sind nicht nur ausschlaggebend dafür, was wir wissenschaftlich wahrnehmen können und wie wir wahrnehmen, sie bestimmen zunehmend wie wir leben, wie wir kommunizieren und uns sozial verhalten, was wir hoffen können und was wir fürchten müssen.”
(Singer 2015, 7)

Wenn wir technisch mittelbar handeln, dann sind Technologien auch als (Kommunikations-)Medium zu verstehen. Nicht nur sind Medien und Informationen zunehmend digitalisiert (Hepp 2016, 228f ), nicht nur gewinnt computervermittelte bzw. digitale Kommunikation zunehmend an Verbreitung (z.B. Eurostat 2020), Ubiquität und Bedeutung, Technologien selbst werden zu Akteurinnen (z.B. Latour 2005) in gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen. Entsprechend geht die aktuelle Medien- und
Kommunikationsforschung über eine trianguläre Beziehung zwischen Produktion, Text und
Publikum (Couldry & Hepp 2013, 193) und einer Vorstellung linearer Effekte hinaus, hin zu
einer umfassenderen Vorstellung von den Folgen der Einbettung von Medien und Kommunikationstechnologien in den Alltag (Couldry & Hepp 2013). Konzepte wie das der Mediatisierung widmen sich kritisch dem Verhältnis zwischen der Veränderungen von Medien und Kommunikation auf der einen und Veränderungen in Kultur und Gesellschaft auf der anderen Seite (Couldry & Hepp 2013). Daher muss sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft mit Technik, Mensch-Computer-Interaktion (Strippel et al. 2018, 14f ) und digitalisierter Medienkommunikation auseinandersetzen (Hepp 2016, 233). Darüber hinaus manifestieren sich in unterschiedlichen Technologien auch Menschenbilder: Für wen wurde Technologie (nicht) entwickelt, welche sozialen Gruppen werden aus welchem Anlass und welcher Motivation durch Technik und Technologie als Nutzerinnen berücksichtigt, welche Normen sind in Technologien eingeschrieben, welche Vorstellungen des Menschseins, z.B. als rationale Akteurinnen oder als emotionale Wesen, werden imaginiert
und welche Folgen hat dies? Dabei müssen Facetten dessen beleuchtet werden, wie in einem historischen und sozialen Kontext situierte Innovationen und Technologien die Vorstellung dessen, was ‚das Menschsein‘ ausmacht, beeinfluss(t)en. Denn immer wieder werden über Technologien Vorstellungen von ‚dem Menschen‘ – die nur zu kurz greifen können wenn es um die Frage geht, was ‚die Natur des Menschen‘ ausmache – verhandelt.

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