Abstract: Die 1850er-Jahre markieren eine Zäsur in der Geschichte finanzieller Kommunikation in Deutschland: An der Schnittstelle von Finanzsektor und Öffentlichkeit konstituierte sich in dieser Zeit ein neues journalistisches Feld, das fortan die gesellschaftliche Beobachtung des Börsen- und Finanzmarktgeschehens organisierte und prägte. Unter den Leitprinzipien von Aktualität und Unparteilichkeit verhieß der Finanzjournalismus eine „Demokratisierung“ finanziellen Wissens, die angesichts des Informationsgefälles auf Märkten umso attraktiver auf jene Zeitungsleser wirkte, die mit dem Aktienboom der 1830er-Jahre zu Wertpapierbesitzern geworden waren. Der Finanzjournalismus schuf einerseits neue journalistische Praktiken und Berufsrollen wie den Börsenreporter und forderte andererseits Banken und Unternehmen zur Anpassung ihrer inneren Strukturen durch Einrichtung von Pressestellen auf. Gleichzeitig jedoch bestimmten Interessenverschränkungen lange die Beziehungen zwischen Presse und Finanzwelt. Erst nach mehreren Korruptionsskandalen im Journalismus setzten sich um 1900 beiderseits anerkannte Standes- und Verhaltensregeln durch. Somit war die Professionalisierung des Finanzjournalismus auch eine Folge seiner öffentlichen Problematisierung.