Jürgen Grimm: Eudaimonistischer Rausch Kitsch und moralische Glückseligkeit

Abstract:
Der Beitrag aktualisiert und erweitert die Kitsch-Thesen des Autors aus dem Jahre 1998. Vorgeschlagen wird eine alternative Sicht auf Kitsch-Phänomene, die nicht die ästhetische Minderwertigkeit von Objekten, sondern den existenziellen und alltagspraktischen Wert für die Kitsch-Gebraucher in den Mittelpunkt rückt. Kitsch wird verstanden als Ästhetik vergessender Zustand, der mit Harmoniebedürfnissen korreliert. In diesem ANDEREN Zustand, der sich vom normalen Alltagserleben unterscheidet, empfindet das Subjekt echte und intensive Gefühle von Liebe und Geborgenheit, die von Kitsch-Objekten ausgelöst werden und/oder zur Produktion von Kitsch-Objekten führen. Das Kitsch-Erleben wird gratifiziert – und darin liegt die neue Zuspitzung der Theorie – durch moralische Glückseligkeit, die den Kitsch mit dem Wunsch verzahnt, tugendhaft zu sein und Gutes zu tun. Abschließend werden Anwendungsperspektiven der Kitsch-Theorie für die kommunikationswissenschaftliche Unterhaltungsforschung diskutiert.