Einleitung: Mitunter kommt man sich als Leiter des ORF-Fernseharchivs wie ein „Schatzgräber“ vor – etwa wenn Hugo Portisch bei seiner „Unglaublichen Geschichte“ auf Material zurückgreifen kann, das seit 60 Jahren nicht mehr öffentlich gezeigt wurde, oder wenn Eliette von Karajan bei einem Besuch im Fernseharchiv Aufnahmen aus ihrer Ehe mit Herbert von Karajan findet, die auch sie bereits völlig vergessen hat. Auch bei Sendungen wie „Wiesner fragt“, „Sendung ohne Namen“ oder bei der Austropop- Show bzw. bei Helmut Zilks Sendereihe „Lebenskünstler“ verblüffen die Archiv-Mitarbeiter immer wieder durch Bewegtbilder, die als verschollen galten bzw. an deren Existenz sich nicht einmal die Gestalter von einst erinnern konnten. Neben dem vielen Lob bekommt das Fernseharchiv im ORF-Zentrum am Küniglberg aber mitunter auch starke Kritik vorgetragen. Die Archivare im ORF-Zentrum verhielten sich wie einst der Fafner in der Nibelungensage, der einen riesigen Schatz hütet, aber alle Interessenten verscheucht. Leider ist die Problematik des öffentlichen Zugangs zum größten Medienarchiv des Landes wirklich sehr kompliziert. Da gibt es jede Menge Rechtsschranken: Urheberrecht, Leistungsschutzrecht oder Persönlichkeitsrecht. Sie verhindern den freien Zugang. Darüber hinaus rächen sich die Versäumnisse von Jahrzehnten. Denn obwohl das ORF-Fernseharchiv seit 18 Jahren zu den modernsten Institutionen seiner Art weltweit gehört, waren die Zustände zuvor alles andere als rosig: Geldmangel und zu wenig qualifizierte Mitarbeiter, dazu eine ständig anwachsende Materialsammlung. Das alles ließ das Fernseharchiv zu einem Ort werden, der an Dante’s „Platz der verlorenen Seelen“ erinnerte. Wer also die Benützungshindernisse von heue verstehen will, muss sich mit der Geschichte einer Institution beschäftigen, an die vor 50 Jahren bei der Geburt des Fernsehens überhaupt noch niemand dachte. …