Einleitung: Biographische Forschung stützt sich häufig auf Lebenserfahrung und Lebensführung, dargestellt aus der Sicht des Subjekts. Ein Zugang zu Lebensgeschichten ist das biographische Interview, in dem eine Person entweder nach Abschnitten ihres Lebens oder nach ihrem gesamten Lebenslauf befragt wird. Dabei besteht eine Grundannahme darin, dass über ein relativ offen gestaltetes Interview die Interpretation oder Rekonstruktion des Lebensverlaufs aus subjektiver Sicht zur Geltung kommen kann. Eine zweite Prämisse lautet, dass der Erzählende seine Lebensgeschichte „identisch und authentisch“ rekonstruiert. Inwiefern ist es aber überhaupt möglich, mit einem Interview die Sicht „von innen“ zu erheben?
Die Annahme, dass Erinnerungen mit Erlebnissen und Geschehnissen der Vergangenheit gleichzusetzen sind, findet man in der heutigen Methodenliteratur ebenso wenig wie die Vorstellung, dass Erzähltexte völlig frei vom Erzähler produziert werden. Ein Interview wird – wie andere soziale Situationen auch – von Erwartungen insichtlich der Begegnung, von bestimmten Vorstellungen der Gesprächspartner voneinander, von der Wahrnehmung verbaler und non-verbaler Äußerungen des jeweils Anderen sowie von der gemeinsamen Situationsdefinition beeinflusst. Allerdings existieren im Interview spezifische Kommunikationsregeln, von Interviewer und Befragtem wird die Einhaltung bestimmter Rollen verlangt. Ein biographisches Interview wird aber auch vom Gedächtnis beeinflusst und von der aktuellen Lage des Befragten. Besonders in erzählbetonten Interviewformen kommen die sogenannten „Zugzwänge“ des Erzählens als Organisations- und Gestaltungsfaktor der Antworten hinzu.
Ein weiterer Grund, sich mit Problemen im biographischen Interview zu beschäftigen, besteht darin, dass hier im Unterschied zu bereits vorhandenen Quellen das Material erst produziert wird. Dies eröffnet zumindest die Möglichkeit, vorab potentielle Schwierigkeiten zu reflektieren und nach Lösungen zu suchen. …