Einleitung: Trotz mehrfacher Bemühungen im österreichischen Bibliothekswesen, enteigneten und beschlagnahmten Zugängen aus den Jahren des Nationalsozialismus nachzuspüren, gibt es Defizite in der Forschung und Aufarbeitung. In Österreich haben jüngst die Tagung „Raub und Restitution in Bibliotheken“ (Internationale Tagung im Wiener Rathaus, 23.-24. April 2003) und die Publikation „Der Raub der Bücher“ (Adunka, 2002) einen wichtigen Beitrag zu dieser Thematik geleistet. Unbehandelt blieben dabei die sogenannten Studienbibliotheken, darunter auch jene der Studienbibliothek in Linz, der Vorläufereinrichtung der „Oberösterreichischen Landesbibliothek“.
Seit Gründung und Ausbau der zum Wissenschaftsministerium ressortierenden Bibliotheken der Linzer Universitäten ist die Aufmerksamkeit des Unterhaltsträgers „Bund“ für die Anliegen der Studienbibliothek in Linz stark gesunken. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in den vergangenen 30 Jahren keine Ressourcen für die Aufarbeitung diverser Bestände, Schenkungen und auf sonstigen Pfaden in die Bibliothek gelangten Sammlungen zur Verfügung standen. Bei der Übernahme durch das Land Oberösterreich im Jahr 1999 waren nicht nur ca. 340.000 sachgemäß katalogisierte Werke aus allen Epochen der Buchgeschichte in den Regalen, sondern es fand sich auch eine Vielzahl von schlecht gelagerten, unkatalogisierten und vielfach ausgesonderten Beständen in schlecht belüfteten Magazinsräumen und teilweise in schlechtem physischem Zustand sowie eine Vielzahl von Kleinschriften und Sonderdrucken.
Mehrere Generationen von Bibliotheksleitern sind an deren Aufarbeitung bereits gescheitert. In Zusammenhang mit der Suche nach unrechtmäßig
erworbenen Beständen spielen gerade jene Bestände eine große Rolle, deren Provenienz durch keinerlei Akzessionsjournale o.ä. dokumentiert ist. Inventarbücher und Zuwachsverzeichnisse wurden im Zuge der Übernahme lediglich für einige zurückliegende Jahrzehnte vorgefunden. Die im Hause immer spürbare Platznot, vielfache Übersiedelungen und diverse Sichtungen durch Antiquare haben ein Übriges getan, dass mehr oder weniger exakte Zuordnungen historischer Bestände aus der fraglichen Zeit nur mit dem enormen Aufwand der Arbeit am einzelnen Exemplar und mit dem Fachwissen des Historikers möglich wären. Beides Grundvoraussetzungen, die im Zuge der Neupositionierung der Bibliothek als allgemeinwissenschaftliche Bibliothek für die nicht-universitäre Forschung in Linz und Oberösterreich derzeit nicht gegeben
sind. …