Christina Köstner: Der lange Schatten nationalsozialistischer „Erwerbungspolitik“ Die Nationalbibliothek in Wien 1938-45

Einleitung: 1918 ging mit der Monarchie auch die Ära der k.k. Hofbibliothek zu Ende. 1920 wurde die Bibliothek nach heftigen Diskussionen in „Nationalbibliothek“ umbenannt und 1923 Dr. Josef Bick (1880-1952) zum Direktor ernannt. Anfang 1926 wurde er zum Konsulenten für Bibliotheksangelegenheiten im Unterrichtsministerium bestellt und hatte damit eine Schlüsselposition im österreichischen Bibliothekswesen inne. Anlässlich der 200-Jahr-Feier der Eröffnung des Prunksaals der NB 1926 wurde Bick vom Ministerium
zum Generaldirektor ernannt.

Bicks Ruf als „hervorragende Autorität“ im Bibliothekswesen brachte ihm Ehrenstellen bei diversen deutschen Fachausschüssen ein. 1934 wurde ihm sogar die Mitgliedschaft beim Beirat für Bibliotheksangelegenheiten Preußens angeboten.

Im Mai 1934 wurde Bick zusätzlich zum Direktor der Albertina ernannt, deren bisheriger Leiter Alfred Stix an das Kunsthistorische Museum (KHM) berufen wurde. Wenige Monate später holte man Bick in den Bundeskulturrat. In der Folge wurde er Präsident dieses Rates und Vizepräsident des Bundesrates. Bick behielt diese hohen politischen Funktionen bis zum März 1938.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bedeutete für Generaldirektor Bick das (vorläufige) Ende seiner Berufslaufbahn. Er wurde am 16. März 1938 in der camera praefecti, dem Arbeitszimmer des Generaldirektors, verhaftet und mehrere Monate im KZ Dachau und Sachsenhausen inhaftiert. Im Spätsommer 1938 entließ man ihn und stellte ihn bis zum Ende des „Dritten Reiches“ unter Hausarrest. Nach der Wiedererrichtung des freien Österreich wurde Bick bereits im Juni 1945 in alle seine Ämter wieder eingesetzt und leitete die Bibliothek noch bis Ende Jänner 1949. Er starb am 5. April 1952 in Piesting/NÖ. …