Gustav Deutsch: The medium is the weapon

Einleitung: 

„Ein Mädchen aus längst vergangener Zeit nahm eine Handvoll glühender Asche, und warf sie in den Himmel. Und die Funken wurden Sterne“
(Mythos)

Wenig mehr als hundert Jahre ist es her, dass einem staunenden und manchmal vielleicht erschreckten Publikum die ersten Laufbilder vorgeführt wurden. Vor sieben Jahren wurde der Jahrestag dieses Ereignisses weltweit zelebriert. Die frühen Bilder der Filmgeschichte fanden für kurze Zeit Eingang in die Welt des Kabel- und Satellitenfernsehens. Dann verschwanden sie wieder in den Archiven.

Hundert Jahre sind für ein Medium keine lange Zeit. Rasant waren hingegen in den vergangenen Jahren die technischen Entwicklungen: digitale Bildbearbeitung, Internet-TV, Virtual Reality Games, CD-ROMs, DVDs dominieren die Medienlandschaft.

Zeitgleich mit der Eröffnung sich konkurrenzierender Multiplex Kinos in den Peripherien unserer Großstädte schließen zentrumsnahe Einsaalkinos für immer ihre Vorhänge vor den Leinwänden. Über Fernsehgeräte und Computer dringt tagtäglich via Satellit und Kabel eine Bilderflut in unsere Wohnzimmer und überfordert unsere Aufnahmekapazität und Selektionsfähigkeit. Zunehmend verschwimmen die Grenzen von medialer Fiktion und Realität.

Die Frage ist: Haben wir in den vergangenen hundert Jahren gelernt, selbstbestimmt und kritisch mit dem Medium umzugehen? Wissen wir über prinzipielle Wirkungsweisen optisch akustischer Medien Bescheid? Aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklungen sprechen eine andere Sprache. Die stetig steigende Quantität des medialen Bilderflusses geht mit einem eklatanten Qualitätsverlust einher. Die Einschaltquote ist zum Nonplusultra der Fernsehprogrammgestalter geworden. Die Politik nützt das unkontrollierte Verhalten der Konsumenten ebenso für ihre Zwecke aus, wie die Unterhaltungsindustrie.

Eine Entwicklung, die im Hinblick auf den Einsatz neuer Technologien noch gar nicht abzuschätzen ist.

Vor allem aktuelle Entwicklungen in Politik (Berlusconi), Medizin (Gen-Manipulation), Entertainment (Big Brother), die unter massivem Einsatz optisch akustischer Medien und neuer Technologien passieren, führen uns deren Macht und Bedeutung deutlich vor Augen.

Beispielhaft für die Wirkungsweisen und den Einsatz der Medien war auch die aktuelle Berichterstattung zum Terroranschlag vom 11. September 2001.

Weltweit wurden die nicht enden wollenden Loops der Liveaufnahmen der Anschläge einem paralysiertem TV-Publikum ins Wohnzimmer geliefert. Nicht nur Personenflugzeuge wurden so von fanatisierten, skrupellosen Selbstmordattentätern zu Waffen umfunktioniert, sondern auch die internationale Medienberichterstattung. Die Auswirkung und der Einfluss dieser trauma- tisierenden Bilder auf die Psyche und vor allem auf unbewusste Ebenen der Persönlichkeitsstrukturen – nicht nur der diesen Bilder noch schutzlos ausgelieferten Kindern und Jugendlichen unter den Zusehern – sind nicht abzuschätzen. Erst durch eine intensive, auf mehreren gesellschaftlichen Ebenen stattfindende Auseinandersetzung mit dem Thema (in Kunst, Wissenschaft, Erziehung), wird ein selbstkontrollierter, kritischer und demokratischer Umgang mit den Medien ermöglicht, und damit deren momentane unkontrollierte Macht und ihr ausufernder Einfluss eingedämmt werden können.
Auch das Kino und der Film sollten und könnten dazu einen Beitrag leisten. Heute. …