Einleitung: Bis heute hat die Filmwissenschaft und -geschichtsschreibung keinen klassifikatorisch oder wenigstens heuristisch brauchbaren Begriff davon entwickelt, was alles unter einem Historienfilm zu verstehen sei. Die Schwierigkeit liegt auf der Hand: Will man pauschal sämtliche Filme mit irgendwie historischem Sujet hier einordnen, so muss jeder Western, jeder Kriegsfilm, jede Komödie im Kostüm und schließlich jedes Kinostück mit nicht in unmittelbar zeitlicher Nähe zum Produktionsdatum platzierter Story zum Geschichts-Kino gehören. Und wenn das nicht besonders hilfreich scheint, bleibt die Alternative, jeweils anderen Genres den ersten kategorialen Zugriff zu überlassen und nur den Rest, den dieser Sortiervorgang zurücklässt, mit dem Label „Historienfilm“ zu versehen. Jedoch: filmische Gattungsbegriffe funktionieren anders; wie analoge Register anderer Medien werden sie nicht im keimfreien Raum einer idealen Systematik konstituiert. Stets sind sie „kontaminiert“ mit historischer Erfahrung. So wird das Publikum heute, nach dem Genre „Historienfilm“ befragt, auf einen Satz von Vorstellungen verweisen, der ihm meist nicht einmal im Kino, sondern aus dem Fernsehen zugefallen ist, weil dort seit jeher ein lang überkommenes Korpus von Filmen durch das Ritual stetiger sonn- und feiertäglicher Wiederholungsläufe still geadelt wird. Je nach Geschmack und Belastbarkeit mag man sich also aid Eindrücke behaglicher Breite, gepflegter Langeweile oder auch mitunter schwer erträglicher Zähigkeit besinnen, und wie mit einer Filmtapete ist der so eröffnete Gedächtnisraum mit kostümierten Abziehbildern einer Elizabeth Taylor, eines Richard Burton oder Charlton Heston vor jeweils großer Geschichtskulisse ausstaffiert – denn mehr noch als der star value einschlägiger Breitwandspektakel haftet der Produktionsaufwand im Gedächtnis, den man einst (von den späten 1940er Jahren bis in die frühen 1960er) in Sachen Architektur und Kostüm, Set Design und Ausstattung getrieben hat. Folgt man der Intuition, die diesen vagen Assoziationen zugrunde liegt, so kommt man zu einem Ergebnis, das jeden Systematiker erstaunt und jenen Cineasten sauer aufstößt, die vom Film die „ernsthafte Auseinandersetzung“ mit historischen Sujets fordern und erwarten: Ausgerechnet in filmischen Inszenierungen von Geschichte scheint es nicht um die Sache zu gehen, sondern um die reine Äußerlichkeit; was sonst nur Beiwerk darstellt, spielt hier die Hauptrolle.
Diese Meinung beruht weder auf Vorurteilen noch auf Missverständnissen, sondern auf einem Sachverhalt, der tief im Gedächtnis des Gesamtmediums fundiert ist. Es gibt sie ja, diese Filme, die im deutschen Sprachraum mit dem Begriff des Monumentalfilms bezeichnet werden und in den angelsächsischen Ländern nicht weniger indifferent epic oder spectacular heißen; und hier wie dort ist man gelassen überzeugt davon, dass dem Genre kein Unrecht geschieht, wenn man zunächst einmal nicht nach Form oder Inhalt, sondern nach der „Mach-Art“ seiner Filme fragt. Im Hinblick auf das Historienkino der (grob gesprochen) 1950er Jahre scheint dies derart berechtigt, dass Kritiker den monumentalen Geschichtsfilm pars pro toto für jenen kinematographischen Stillstand einstehen lassen, der dazumal das repräsentativ gemeinte Kino im Würgegriff hielt. Und auch seine Apologeten und Bewunderer versteigen sich gar nicht erst dazu, dem Genre einen Platz an der Front des cineastischen Fortschritts zu verschaffen. Monumentalfilm, das ist: Großkino — liebenswert womöglich just um seiner Schwächen und Inkonsistenzen willen; gepanzerter Helden und kapriziöser Diven wegen, die im breitesten Slang daherreden, oder dank einer vorgeblich antiken Prachtentfaltung, die ihre Verwandtschaft mit den karnevalesken Fassaden von Las Vegas kaum zu verleugnen sucht. Wer dafür nichts übrig hat, spricht von Ausstattungsfilmen, die, so die stillschweigende Voraussetzung, von sich aus so wenig ,Substanz* haben, dass man sie nur mehr im Hinblick auf akzidentielle Qualitäten wie Architektur und Kostüm, Set Design und Maske beurteilen kann. …