Einleitung: Was Adorno nur dunkel als Fluchtpunkt seiner Ideologie- und Entfremdungskritik erahnen konnte, ist längst alltäglich konsumierte Wirklichkeit geworden: „das Verschwinden des Realen im Automatismus der audiovisuellen Reproduktion“ (Freier, 1984).
Mit dieser Erkenntnis aber muß das „Paradigma aller ideologiekritischen Medientheorie“ (ebd.), Adornos Satz: „Je vollständiger die Welt als Erscheinung, desto undurchdringlicher ihre Erscheinung als Ideologie“ (1970), entscheidend modifiziert werden. Zwar multiplizieren sich die Bilder der Welt in ihren medialen Simulacren, aber dennoch kommt es einem Anachronismus gleich, dahinter noch Macht und Werk einer politischen, homogenen Ideologie entlarven zu wollen, die ihre Wahrheit im Bombardement der Bilder zu dissimulieren sucht.
Die Kritische Theorie verfehlt selbst die Wahrheit der audiovisuellen Mediensysteme, weil sie unabdingbar an den Referenzcharakter der Zeichen, an eine politische Ökonomie der Zeichen glaubt, deren Wert sich an der Beziehung zu einer äußeren Realität bemessen läßt. Genau diese Äquivalenz von Zeichen und Realem aber verschwindet in der ständig beschleunigten massenmedialen Zeichenproduktion und -Zirkulation. Die klassische Medienkritik vertraut immer noch auf die Repräsentationsleistungen der symbolischen Ordnung der Schrift (die ja letztlich auch nur ein Medium unter anderen ist) und wendet am privilegierten Status der Schrift gewonnene Erkenntnisse auf Codes und Aufzeichnungssysteme an, denen so längst nicht mehr beizukommen ist. Denn die wirklich entscheidenden Transformationen unseres Realitätsprinzips sind nicht durch Störungen oder Modifikationen eines antiquierten Kommunikationsmodells zu erklären, das in medientechnischer Blindheit auf eine ideale Relation von Sprache und Sinn fixiert ist, die längst als diskursive Praxis eines alphabetgläubigen Zeitalters entlarvt ist. Die eigentlichen Umwälzungen sind vielmehr durch die Metamorphosen der Materialität der Datenflüsse selbst bedingt. Der Schritt von symbolischen Ordnungen beziehungsweise den Ordnungen der Dinge hin zur freien Simulierbarkeit von Sinneseindrük- ken in einer digitalen Logik der Datenverarbeitung, die in gar nicht allzu ferner Zukunft alle Datenströme kompatibel machen und damit vereinheitlichen könnte, wirkt auf die (Menschen genannten) Datenspeicher und -Übersetzer zurück und läßt beispielsweise die humanistisch besorgte Frage von Buchmenschen nach dem rechten Verstehen von TV-Sendungen obsolet erscheinen. Denn wo der Bildungsbürger fassungslos den Mangel an Sinn und Aufklärung beklagt, freut sich der Medienjunkie über technologisch vermittelte Intensitätsschübe, die viel wirkungsvoller und raffinierter auf der Tastatur seines Empfindens spielen, als es sich Pädagogen je träumen ließen.
Sinn und Bedeutung müssen daher unter hochtechnischen Bedingungen und der Effekte künstlich generierter Maschinenträume neu überdacht werden, denn die Schrift hat schon längst ihr erkenntnistheoretisches Primat verloren. …