Haimo L. Handl: Lachen, trotz allem? Humor in der politischen Karikatur am Beispiel der österreichischen Wochenzeitung "Die Furche" (1986 – 1990)

Einleitung: Leicht scheint es nicht, eine befriedigende Antwort zu finden: Sogar Karikaturisten, die ich zum Thema “Humor in der Karikatur” befragte, hatten Mühe Auskunft zu geben. Zwar haftet dem Begriff “Karikatur” eine Nähe zum Humor an, vor allem in seiner Verbindung mit den Bedeutungsfeldern “Überladung” und “Übertreibung” und mit der Nachbarschaft zum Grotesken, Verzerrten, zur Augentäuschung und zur Satire. Dabei werden Humor und Witz, Humor und Lachen oft gleichgesetzt beziehungsweise als zusammengehörend gesehen. Doch hat Humor nicht notwendigerweise mit Lachen zu tun und die Verbindung zum Witz kann schwach sein oder gänzlich fehlen.

Sigmund Freud zitiert in seiner Arbeit überden Witz den Philosophen Kuno Fischer, der die Karikatur als Hervorholen des versteckten Häßlichen sieht, wobei das Häßliche Gegenstand der Komik sei und eine Analogie zum Witz bestehe1. Als wesentliches Merkmal sieht Freud in der Karikatur die Funktion der Abfuhr und Befreiung durch Auflehnung gegen Autorität: „In diesem Moment liegt ja auch der Reiz der Karikatur, über welche wir selbst dann lachen, wenn sie schlecht geraten ist, bloß weil wir ihr die Auflehnung gegen die Autorität als Verdienst anrechnen.“

Das Witzige oder Humorige ist nicht Voraussetzung, sondern möglicher Bestandteil der Karikatur. Freud sieht die Karikatur als ein Mittel unter anderen, “die zum Komischmachen dienen”. Folgerichtig führt Freud weiter aus: „Karikatur, Parodie und Travestie (…) richten sich gegen Personen und Objekte, die Autorität und Respekt beanspruchen, in irgendeinem Sinne erhaben sind. Es sind Verfahren zur Herabsetzung.“

Die Karikatur erfüllt eine Witzfunktion, soweit es um humoristische Lust geht, welche Freud im ersparten Hemmungsaufwand, Vorstellungs- (Bcsetzungs-) auf- wand und erspartem Gefühlsaufwand sicht. Ebenso diagnostiziert er Humor als einen “Triumph des Narzißmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ich’s”. Insoweit die Karikatur diese Funktion erfüllt, ist sie humoristisch. Damit wird aber deutlich, daß der Leser nur jene Karikatur als humoristisch auffassen kann, die für ihn auch in der Rezeption noch jene Affektersparung erbringt, welche lur den Humoristen (hier Karikaturisten) gegeben war. Ähnlich der Pointe beim Witz, muß die Karikatur dem Leser so verständlich sein, daß die Humorfunktion zum Tragen kommt. Alles andere würde eben nicht humoristisch sein beziehungsweise nur Lächeln oder milde Reaktion hervorrufen.

Diese Überlegung wiederum gestattet es, auch nicht zum Lachen reizende Karikaturen, soweit sie die oben erwähnte Funktion erfüllen, als humoristisch zu bezeichnen. Weder witzig noch humoristisch wären dann jene Karikaturen, die nur illustrieren oder “milde” verzerren, also “schwach” sind und nichts für Witz- oder Humorfunktion hergeben. Es scheint bemerkenswert, daß Freuds Arbeit zum Witz 210 Seiten ausmacht, während seine 22 Jahre später verfaßte Arbeit zum Humor “nur” sechs Seiten lang ist. Die umfassende Arbeit zum Witz beinhaltete bereits Abschnitte über den Humor. Interessante Hinweise und Ausführungen sprach- und begriffsgeschichtlicher Art zum Thema “Witz” und “Humor” erfährt man bei Fritz Mauthncr, der in zeitlicher Nähe zu Freud (1902, 1910) seine Hauptwerke publizierte. Ernst Kris, der Lehrer von Gombrich, geht in seiner 1952 erschienenen Arbeit zur Psychologie der Karikatur besonders auf die Frcudsche Psychoanalyse ein, er sieht in der Karikatur das Moment des Demaskierens und streicht vor allem die Funktion des Primärprozesses heraus, in welchem die Karikatur, ähnlich wie der Traum, operiere und Befreiung durch Regression biete. …