Einleitung: In der Endphase der Geschichte der Ersten Republik war die Auseinandersetzung mit dem in Deutschland an die Macht gebrachten Nationalsozialismus eine ernste Herausforderung. Der österreichische „Ständestaat“ verstand sich – trotz aller politischen Akkomodationsversuche – grundsätzlich als Gegenstück zum nationalsozialistischen Deutschland, das seine Identität und seine Selbständigkeit ernstlich bedrohte. Zur Abwehr des Nationalsozialismus stand der Regierung eine kontrollierte Medienöffentlichkeit zur Verfügung, die es ihr möglich machte, ihr Bild vom nationalsozialistischen Deutschland und seinen neuen Machthabern zur Geltung zu bringen. In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Deutschland enthüllt sich folglich auch das Selbstbild dieses offiziell katholischen Österreich. Um diese Fremd- und Selbstbilder deutlich zu machen, soll im folgenden die Berichterstattung der Wiener Reichspost des Jahres 1933 auszugsweise skizziert werden, wobei cs nicht auf eine erschöpfende Darstellung, sondern nur um einige exemplarische Beispiele gehen kann.
Den politischen Rahmen für die Berichte der Reichspost bietet ein Österreich, das sich nach dem Staatsstreich der Regierung Dollfuß auf einem antidemokratischen Kurs befand und sich die Zurückdrängung des „Bolschewismus“ und die Etablierung einer neuen, „christlichen“ Staatsordnung zum Ziel gesetzt hatte. Damit entsprach die Regierung, die sich als „katholisch“ empfand, durchaus den Erwartungen des österreichischen Katholizismus, der zutiefst von Ängsten und Vorurteilen beherrscht war und der die Beseitigung demokratischer Einrichtungen, die Zurückdrängung der „Feinde“ des Christentums und die Etablierung von „Recht“ und „Ordnung“ durchaus begrüßte.
Nächst dem Sozialismus war der Nationalsozialismus die zweite Großideologie, mit der sich der politische Katholizismus in Österreich – „rezipierend und bekämpfend“ – auseinanderzusetzen hatte. Aus der partiellen Affinität zu ideologischen und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen des Nationalsozialismus ergab sich die Schizophrenie der Berichterstattung der Reichspost über die Ereignisse im Deutschen Reich nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten Ende Jänner 1933. Damit reflektierte die Reichspost lediglich die innerösterreichische politische Situation, die von einer „verwirrenden Vielfalt“ von Beziehungsmustern gekennzeichnet war. War man einerseits mit den nun im Deutschen Reich einsetzenden Maßnahmen gegen den politischen Gegner (der ja auch der eigene Gegner war) durchaus einverstanden, so stand man anderseits vor dem Problem, daß die kirchenfeindlichen Maßnahmen des NS-Regimes wesentlich die institutionelle Basis des politischen Katholizismus in Deutschland in Frage stellten…