Einleitung: 1986 war ein denkwürdiges Jahr. Bereits zwei Jahre vor dem offiziellen und offiziösen „Gedenk- und Bedenkjahr“ 1988 gab (und gibt) es Anlaß für Bedenken in reicher Anzahl. Im öffentlichen Diskurs Österreichs längst vergessen (oder verdrängt) geglaubte Relikte einer tausendjährigen Vergangenheit kamen hoch, die ihren Ursprung nicht erst im März 1938 hatten. Es war plötzlich wieder möglich, auf „die Juden“ zu schimpfen und seinen Dienst in der deutschen Wehrmacht als „Pflichterfüllung“ zu bezeichnen. Eine besondere (und teilweise ziemlich unrühmliche) Rolle bei der Enttabuisierung antisemitischer Klischees in der österreichischen Öffentlichkeit spielten die Massenmedien — im Besonderen die Zeitungen. Sie (bzw. einige von ihnen) waren es, die Ressentiments wieder öffentlich äußerbar machten, von deren Existenz Untersuchungen der empirischen Sozialforschung zwar immer wieder Zeugnis ablegten, die aber üblicherweise dem „braunen Rand“ der österreichischen Politszene oder dem privaten Bereich zugeschrieben worden waren.
Insofern hatte die „Affäre Waldheim“ auch ihr Gutes, sie machte Klischees und Gedankengänge sichtbar, deren Existenz bereits in Randbereiche des öffentlichen Lebens Österreichs abgedrängt schien. Damit ermöglicht sie es aber auch, Gegenstrategien zu entwickeln und (zumindest zeitweise) eine wache, republikanische Gegenöffentlichkeit zu aktivieren…