Hannes Haas: Die Publizistik des Vorurteils Antisemitismus in Karikatur und Satire am Beispiel des „Kikeriki“

Einleitung:

„Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit.“
Ödön von Horvath, Geschichten aus dem Wiener Wald

I.

In den 20er Jahren erlebten die humoristischsatirischen Zeitschriften den letzten Höhepunkt einer Entwicklung, die bereits im 18. Jahrhundert begonnen hatte. Die Partei Witzblätter, also der christlichsoziale Kikeriki (1861–1933), die sozialdemokratische Leuchtrakete (1923–1933) sowie der linksliberale Götz von Berlichingen (1919–1934) und die politisch weitgehend indifferente Muskete (1905–1941) dominierten in der Ersten Republik. Die übrigen satirischen Magazine waren längst in seichter Routine erstarrt. Sie hatten sich schon vor dem Weltkrieg damit zufriedengegeben, manchmal originell, im Grunde aber unbedeutend, einige wenige Witzstrukturen aus dem Repertoire des bürgerlich-urbanen Familienhumors zu variieren. Da wurden dann Schauspieler wohlwollend karikiert, harmlose Scherze über vertrottelte Adelige und die „ach so verkommenen Sitten“ augenzwinkernd veröffentlicht. Jede kritische Analyse, die in satirische Polemik hätte münden können, fehlte. Zum Synonym für die angepaßte Karikatur wurde der „Klassikaner“ (Karl Kraus) Fritz Schönpflug, Mitarbeiter der Muskete und – von der kommerziellen bis zur politischen Werbung – meistgefragte Zeichner seiner Zeit…