Einleitung:
1. Geschichte als kognitives Modell
Betrachtet man Geschichte im Lichte kommunikationstheoretischen Wissens, dann ent- deckt man an (der) Geschichte eine kulturelle Aufladung, die deutlich macht, dass es die kommunikative Rahmung ist, die der Geschichte gesellschaftliche Bedeutung gibt. Diese Rahmung vollzieht sich als Erzählung, in der der Mensch seine Erinnerung zum Gegenstand der Betrachtung macht. Diese hat selbst ein Motiv. Das Wissen um das Ende von allem, was lebt, ist vermutlich das anthropologische Motiv für Geschichte. Das Wissen des Menschen über sich selbst ist die Konstruktion aus der Not der Auseinandersetzung mit der Erfahrung des Todes. Das Wissen um den Tod zwingt das Leben zur Geschichte, also zur Erklärung von Zeit. Gäbe es diese Erfahrung nicht, hätte Geschichte keinen Sinn. Das Wissen um ein Ende gibt dem Leben Zeit. Die Dimension der Zeit – nicht mehr als ein Wissensmodell, aber immerhin eines, mit dem wir leben – macht das Leben zur Geschichte. Geschichten brauchen Erzählung und werden durch Erzählung zur (z.B. persönlichen) Geschichte. Ein Leben ohne dessen erfahrbares Ende wäre nicht das Leben in Geschichte und Geschichten.
Geschichte ist ein Konstrukt der Betrachtung, nachdenkend und erinnernd konfiguriertes Wissen über das, was man schon weiß oder meint zu wissen. Geschehenes erklärt und vermittelt sich nicht aus sich selbst, sondern immer nur aus seinem Kontext, braucht also die Erklärung aus Zusammenhängen und aufgrund von Relationen, was immer heißt: Geschichte ist die Betrachtung des Geschehenen im Wege der Beobachtung von Relationen. Da es sich bei Geschichte um Zeitrelationen handelt, kann man erst beobachten, wenn man Zeitzusammenhänge für geschlossen hält oder wenn man sie schließen möchte. …