Wolfgang R. Langenbucher: Die Geburt des Projektes war mehr als überraschend. Zum 30-jährigen Bestehen des Arbeitskreises für historische Kommunikationsforschung Antworten zur Rundfrage

Mich ehrt, dass die Initiatorinnen dieser Umfrage (aus beeindruckendem Anlass), annehmen, dass ich „an der Geschichte dieses Fachjournals mitgewirkt haben“. Das erscheint in der Tat selbstverständlich, hatte ich doch gleich nach meinem Dienstbeginn (2. April 1984) begonnen, einen Kongress „Internationales Symposium: Wege zur Kommunikationsgeschichte“ vorzubereiten, weil ich damit diese aus meiner Außensicht signifikanteste wissenschaftliche Tradition des Wiener Institutes deutlich markieren und ihre Fundamente tiefer legen wollte. In der Vorbereitungszeit erarbeitete Wolfgang Duchkowitsch eine „Festgabe“ zum 65. Geburtstag von Marianne Lunzer-Lindhausen, meiner Vorgängerin (Mediengeschichte und Praxis, Wien u.a.1985). Der Herausgeber erbat von mir den Titelaufsatz, dem ich den programmatischen Titel „Von der Presse- über die Medien- und Kommunikationsgeschichte? Notizen zur Konstitution einer kommunikationswissenschaftlichen Teildisziplin“ gab. Zur Vorbereitung führte ich viele Gespräche und korrespondierte mit kompetenten Kolleginnen und Kollegen, weil ich schnell eingestehen musste, als Kommunikationshistoriker ein Dilettant zu sein. Andererseits war mir eine damals von manchen beobachtete Historiophobie der real existierenden Kommunikationswissenschaft auch undenkbar.

Das Symposium im würdigen Palais Auersperg war ein großer und wirklich internationaler Erfolg, besucht von hunderten Gästen und sogar von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einem langen Kongressbericht als intellektuelles Ereignis gewürdigt (21. Mai 1986). Meine Stimmung war euphorisch und auch die von Manfred Bobrowsky, der die ganze Veranstaltung gemanagt hatte; die meine sank aber blitzartig mit dem „Abschluss“ am Freitag, den 9. Mai 18.30 Uhr, denn da gaben die Initiatoren die Neugründung einer einschlägigen Zeitschrift medien & zeit bekannt. Ich hatte davon keine Ahnung, fühlte mich vollkommen überrumpelt und in der ersten Reaktion wirklich nicht amüsiert. Bis zum Heurigen am Abend hatte sich eine ganz andere Einstellung bei mir entwickelt: wie phantastisch, dass damit eine verbindliche Institution für die „Wege der Kommunikationsgeschichte“ geschaffen war.

Dass diese Neugründung sich auf dem nicht eben armen Zeitschriftenmarkt gedeihlich entwickeln konnte und immer mit dem Wiener Institut verbunden blieb, das ist bis heute und damit in drei Jahrzehnten eine bewundernswerte Erfolgsgeschichte. Ich schätze mich glücklich, daran auf die eine oder andere Weise regemäßig beteiligt gewesen zu sein. Die Beteiligten wissen, dass ich vor allem dem Festhalten an einer Edition ohne etablierten Verlag immer äußerst skeptisch gegenüberstand. Aber auch in den nicht wenigen Krisenzeiten verschmähte man meine Ratschläge und hielt an einer Struktur fest, die ja in der Zeitschriftengeschichte große, gerade auch wissenschaftliche Vorbilder hat. Heute ist m&z, wohl auch, weil mehrere neue Generationen zu Verein und Blatt gestoßen sind, so konsolidiert, dass sich Fragen ihrer Trägerschaft nicht mehr ernsthaft stellen.

Schwieriger finde ich, sind jene Probleme geblieben, die ich bei einer Umfrage mit dem Postulat „Kommunikationsgeschichte – endlich schreiben“ benannte. Wie typischerweise alle Fachzeitschriften hat m&z in seinen dreißig Jahren eine zunehmende Spezialisierung und thematische Kleinteiligkeit kultiviert. Blickt man auf die Geschichtsschreibung, deren sich die traditionsreichen historischen Disziplinen annehmen, so fällt die Fülle und Kontinuität der großen monographischen Werke auf. Sie sind das Resultat jahrzehntelanger Forschungserträge, des Handwerks der konstruktiven Narration und der Fähigkeit nicht nur für die eigenen Fachgenossinnen – und genossen, sondern auch für ein „gebildetes“ Publikum zu schreiben.

Was auch in unserem Fach nicht mehr fehlt, ist die Fülle des wissenschaftlich gewonnenen Wissens und die fordernde Anzahl von großen, teils historisch abgeschlossenen, teils auch in der Gegenwart noch virulenten Themen. Wie der 800 Seiten umfassende Tagungsband „Wege der Kommunikationsgeschichte“ (München 1987) zeigt, den man bis heute immer wieder zitiert findet, weilen viele der BeiträgerInnen nicht mehr unter den Lebenden, die meisten sind aus dem Universitätsleben pensionshalber ausgeschieden; da ist der Blick in jedes neue Heft von m&z ein Quell des Vergnügens: der Nachwuchs ist zahlreicher denn je, von Historiophobie keine Rede. Kein Zweifel: auch in unserem Fach werden sich bald Kolleginnen und Kollegen zur großen Narration berufen fühlen.