Oliver Rathkolb: Viktor Reimanns Publizistik zwischen 1945 und 1955

Einleitung: Viktor Reimann, Jahrgang 1915, dessen Vater im Ersten Weltkrieg gefallen war, hatte bereits 1935/36 – obwohl formal Mitglied der Vaterländischen Front – als Mitglied „einer im Chorherrnstift in Klosterneuburg bestehenden, von Karl Scholz geleiteten nationalsozialistischen Zelle“ Kontakte zur illegalen NSDAP. Er wurde nach dem „Anschluß“ in die NSDAP als „Parteianwärter“ übernommen „und betätigte sich dort vom Juli 1938 bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht Mitte April 1940 in der Ortsgruppe Wien-Ruckerhof als Blockleiter“.

Seine ideologische Überzeugung war nicht nur in der Mittelschulzeit geprägt worden, sondern auçh während seines Studiums an der Universität Wien. Dort vor allem durch den Historiker Heinrich von Srbik und den Literaturwissenschaftler Josef Nadler, beides Leitfiguren der deutschnationalen Bewegung, die sich jedoch ohne äußere Vorbehalte von der NSDAP für ihre politischen Zwecke einspannen ließen. Auch am Institut für österreichische Geschichtsforschung in Wien, wo es eine starke nationalsozialistische Gruppe gab, wurde Reimann in seinen ideologischen Ansichten noch gestärkt.

Der erste Bruch kam mit den Erfahrungen der deutschen Politik nach dem „Anschluß“ 1938, als österreichische Nationalsozialisten kaum Mitgestaltungsmöglichkeiten in der eigenen Heimat zugestanden bekamen. Für Reimann ausschlaggebend waren – so das Volksgerichtsurteil gegen ihn und einige Mitangeklagte –, daß er „in der zweiten Hälfte des Jahres 1938 … festgestellt habe, daß er die Ergebnisse, die durch den Nationalsozialismus erzielt seien, habe ablehnen müssen. Seine Opposition betraf namentlich die Frage der persönlichen Freiheit, der Kirchenpolitik und der religiösen Kindeserziehung.“

Es war signifikant, daß sich Reimann einer vorerst inner-nationalsozialistischen Oppositionsgruppe um den Klosterneuburger Chorherrn Roman Karl Scholz, dem als Geistlichem die NSDAP-Mitgliedschaft verwehrt wurde, angeschlossen hatte. Sie wollten nur mit einigen praktischen Auswirkungen des Nationalsozialismus brechen, wie sich an der ursprünglichen Namengebung zeigt: „Deutsche Freiheitsbewegung“. Erst nachdem Angriff auf Polen und der Erkenntnis der negativen Auswirkungen des Krieges wurde diese konspirative Organisation schließlich auf den Namen „österreichische Freiheitsbewegung“ umbenannt, um zumindest in der „Ostmark“ das Ärgste zu verhindern…