Horst Pöttker: Momente einer Debatte Wie die deutsche Kommunikationswissenschaft sich heute vor ihrer Vergangenheit schützt

Einleitung: Wie andere Fächer hat die deutsche Kommunikationswissenschaft sich bisher nicht zu einem wahren und lebensdienlichen1 Erzählen ihrer Vergangenheit im NS-Regime durchringen können und wehrt selbstkritische Einsichten und Schuldempfindungen, die damit verbunden wären, nach wie vor ab. Diese Basisthese soll hier illustriert und plausibel gemacht werden.

1. Zeittypisches und Wissenschaftsspezifisches

In einer differenzierteren Version setzt die Grundannahme voraus, dass eine wissenschaftliche Disziplin für die Abwehrleistung rational erscheinende Argumente braucht, die sie der aktuellen Situation anpassen muss. Verdrängung der NS- Vergangenheit ist ein Prozess, in dessen Verlauf sich die kognitiven Instrumente wandeln, mit denen wahre Erinnerung abgewehrt wird. Dieser Wandel reagiert darauf, dass immer mehr Stücke auf die Dauer nicht unterdrückbarer Wahrheit sich empirisch oder logisch durchsetzen. Im Folgenden werden hauptsächlich Abwehrargumente diskutiert, die fünf bis sechs Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes aktuell sind. Dabei kommt es darauf an, einerseits ihre im wissenschaftlichen Milieu überzeugenden, rational erscheinenden Seiten, andererseits aber auch die ihnen innewohnenden Irrtümer zu zeigen. …