Einleitung: Die Zahl der Forschungen, die zur Kriegspropaganda des Zweiten Weltkriegs betrieben wurden, steht im umgekehrten Verhältnis zur Ergiebigkeit der Ergebnisse. Keine der Untersuchungen konnte schlüssig belegen, warum und auf welche Weise die Botschaften der jeweiligen Propagandastellen diese und jene Wirkung evozierten oder ob die vermuteten Wirkungen von gänzlich anderen Faktoren abhängig gemacht werden müssen. Noch schlechter fällt die Bilanz der Propagandaforschung respektive der gesamten Wirkungsforschung im Anschluß (und unter dem Eindruck der Ergebnisse) an oben genannte Untersuchungen aus: Diese Chronologie des Scheitems läßt sich bis heute fortsetzen.
Die Gründe für die Problemstellungen sind einfach zu benennen, die Lösungsmöglichkeiten jedoch schwer in die Praxis umzusetzen: Scheiterten einige Untersuchungen an ihren immanenten, rein empirisch-handwerklichen Unzulänglichkeiten, so konnten aber auch korrekt durchgeführte Untersuchungen durch spekulative Projektionen der eigenen Erwartungen, die weit über den untersuchten Gegenstand hinaus Gültigkeit beanspruchten, keine schlüssigen Wirkungsmodelle liefern. Es ist unabdingbar für die Erfassung sozialer Realität (und Kommunikation ist zweifellos eine Komponente dieser Realität), die Gesetzmäßigkeiten des untersuchten Gegenstandes bei der Erstellung der Untersuchung ebenso zu berücksichtigen, wie auch bei der Auswertung und der Interpretation. Dazu sei lediglich der Topos der „mittleren Reichweite sozialer Theorien und Modelle“ festgestellt, der die weitere Vorgehensweise und den Ausweg aus dem momentanen Dilemma der Wirkungsforschung vorgibt. Die Untersuchung einer, von unzähligen Faktoren abhängigen Variablen wie Kommunikation, bedarf inter- und multidisziplinärer Ansätze und darf trotzdem nur für einen Punkt der Ent- wicklungslinie Gültigkeit beanspruchen und sich nicht in ubiquitären Spekulationen ergehen: „Wenn es (…) einen gemeinsamen leitenden Gedanken gibt, dann ist es der, daß es heute unmöglich ist, eine „Theorie der Massenmedien“ (d.h. auch der Propaganda, Anm. d. Verf.) zu entwickeln; dies wäre damit vergleichbar, eine „Theorie vom nächsten Donnerstag“ entwickeln zu wollen. Gerade weil man diese Phänomene nicht unter eine einheitliche theoretische Formel bringen kann, muß man sie heute zum Gegenstand einer Forschung machen, die sich nicht scheut, sie allen erdenklichen Prüfungen zu unterziehen.“ (Eco, 1992, S. 34).
Dieser Aufsatz stellt eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung dar, die im Rahmen meiner Diplomarbeit (Baumgartner, 1993) unter obigen Prämissen durchgeführt wurde. Es sollte versucht werden, das Phänomen „Kriegsberichterstattung und Propaganda“ empirisch zu untersuchen und an den adäquaten Randbedingungen zu validieren. …