Das digitale Zeitalter hat sich durchgesetzt, es dauert an. Der Wissenschaft begegnet das Digitale dabei, verknappt gesprochen, zumeist in drei Formen, die sich disziplinübergreifend finden lassen: in der Digitalisierung analoger Bestände, in der Erstellung digitaler Daten und in den neuen Möglichkeiten IT-gestützter Durchdringung digitaler Repositorien. Das Beforschen, Erschließen und Vermitteln von Quellen vor einem Horizont, der nicht mehr analoges Material, vornehmlich Gedrucktes, als notwendiges Zentrum bedeutet und eine veränderte Öffentlichkeit mitmeint, erzeugte und erzeugt insbesondere in den Sozial- und Geisteswissenschaften ein Bündel von Erwartungshaltungen gegenüber den Möglichkeiten digitaler Technologien, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Einmal mehr scheint sich Umberto Ecos titelspendendes Diktum von „Apokalyptikern“ und „Integrierten“ zu bewahrheiten: Da ist einerseits ein Raunen über die angeblich schier unüberwindlich scheinenden Hürden, die das Drohgespenst Digitalisierung mit sich bringt, zu vernehmen. Müssen nun etwa alle Sozial- und GeisteswissenschafterInnen ausgeklügelte Programmieraufgaben lösen? Kann die Masse an digitalen Inhalten überhaupt bearbeitet, sinnvoll vermittelt und auch langfristig bewahrt werden? Verstellt nicht die Auswahl dessen, was digitalisiert wird, den Blick auf die eigentlichen Bestände, erleben wir also einen verzerrten Eindruck davon, was tradiert und erhalten wird? Und wie können diese Inhalte wieder aufgespürt, rechtlich einwandfrei erschlossen und durchsuchbar gemacht werden? Woher die Ressourcen nehmen, um die täglich produzierten Massen an Digitalisaten und digitalen Inhalten feinsäuberlich zu ordnen, zu strukturieren und – so sie vorhanden sind – gemäß standardisierten Normen zu annotieren? Andererseits wird zugleich ein fröhliches Jauchzen über das Betreten dieses für die wissenschaftliche Bearbeitung nach wie vor als Neuland gesehenen Forschungsfeldes vernehmbar. Getragen von der Hoffnung auf präzise, angeblich auf Knopfdruck zu leistende Durchleuchtungen riesiger Datenmengen sowie auf vermeintlich mühelose und lukrative inter- und transdisziplinären Zusammenarbeiten, könnte man fälschlicherweise annehmen, mit der Digitalisierung sei die Arbeit ja schon so gut wie getan. Ähnliches ließe sich über die Öffnung der Wissenschaft und die direkte Einbindung einer großen Allgemeinheit durch partizipative Digitalisierungsprojekte sagen. Man denke auch an die Möglichkeit zumindest den zugänglichen Ausschnitt der (Alltags-)Kommunikation quer durch soziale Schichten, die sich in den Gefilden der social media tummeln, auszuwerten oder ArchivarInnen von der Last der knappen Raumressourcen durch digitale Speicherung zu befreien. Man denke aber auch an die Tradition medien- und kommunikationshistorischer Disziplinen, die gerade in der Handhabung mit zweifelhaftem oder unvollständigem Datenmaterial auf einen beträchtlichen Erfahrungsschatz rückgreifen können. Man denke an ihre Lösungskompetenzen, Rekonstruktionsstrategien und Reflexionsvermögen im Umgang mit der Auffindbarkeit und Flüchtigkeit von mitunter mangelhaften Quellenkorpora. Berechtigte Freude und honest mistakes scheinen, so der Gesamteindruck, gleichermaßen gut verteilt. Weiterlesen