Einleitung:
Es scheint, als würde seit Beginn des 21. Jahrhunderts leidenschaftlich über die Zukunft des Journalismus gestritten: Brauchen wir noch gedruckte Zeitungen, wenn das Internet uns die Nachrichten viel schneller und vielfältiger präsentieren kann? Warum sollten wir für klassische Medien bezahlen, wenn wir kostenlos googeln können, was in der Welt passiert? Weshalb sollten Anzeigenkunden noch in Zeitungen inserieren, die seit Jahren an Reichweite verlieren und ihre Zielgruppe nur noch rudimentär abdecken? Doch geht es bei diesen Debatten wirklich um die Zukunft des Journalismus? Zunächst einmal geht es nur um seine Rahmenbedingungen. Die Fragen nach einem tragfähigen Finanzierungsmodell und den sinnvollsten technischen Plattformen sind zentral für Verleger und für Redakteure, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. Für die hypothetische Frage, wann der Journalismus endet – und damit im Umkehrschluss auch für die Frage, wie lange der Journalismus noch gebraucht wird -, sind sie nur Einflussgrößen am Rande.
Während die duale Finanzierung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks von den allermeisten (Zwangs-)Steuerzahlern in Deutschland nicht infrage gestellt wird und TV und Radio zudem in fast allen Haushalten als Begleitmedium mit hohem Unterhaltungsanteil vorhanden sind, muss sich der Zeitungsjournalismus fragen lassen, was ihn unverzichtbar macht. Eine Zeitung muss aktiv abonniert oder gekauft werden, an ihr scheint sich also besonders deutlich festzumachen, was einer Gesellschaft professioneller Journalismus Wert ist. Während sich die Auflagen deutscher Tageszeitungen von 1954 bis 1991 verdoppelten (von 13,4 Millionen auf 27,3), sinken sie seit Beginn der 90er Jahre stetig. Allein von 1999 bis 2010 haben deutsche Tageszeitungen ein Fünftel ihrer Auflagen verloren (von 24 auf 19,4 Millionen) (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, 2011). Ist Journalismus also in der digitalisierten und globalisierten Welt immer weniger wert? Zeichnet sich gar sein Ende ab?
Um diese Frage jenseits aller technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen zu beantworten, versuche ich hier, aus den verschiedenen Thesen zum Anfang des Journalismus in den vorangegangenen Aufsätzen dieses Hefts sein Ende abzuleiten. Allerdings mit einer Einschränkung: Weil es der Auftrag des Journalismus ist, Öffentlichkeit herzustellen, kann er nicht nur als Beruf eines Einzelnen, sondern muss als System verstanden werden. Ein Journalist, der in bester Absicht etwas recherchiert und niederschreibt, aber nicht veröffentlicht, vollbringt zwar eine journalistische Handlung, ist aber nicht im Journalismus tätig. Das ist ein zentraler Unterschied, denn Journalismus wird für ein (möglichst breites) Publikum gemacht, das sich an gesellschaftlichen Entwicklungen frühzeitig beteiligen soll. Er kann nie Selbstzweck sein. Deshalb messe ich hier die Thesen zu den Anfängen des Journalismus an den vier Merkmalen publizistischer Medien: Aktualität, Periodizität, Publizität, Universalität (nach Otto Groth (1960), der sie als „Wesensmerkmale des Journalistische[n] bezeichnet hat“). So kann anhand seiner Anfänge im Anschluss geprüft werden, wo der Journalismus heute steht und wann er enden könnte…