Einleitung: Zu welchem Zeitpunkt hat das Land Österreich den demokratischen Regierungsweg verlassen, bzw. ab wann kann man vom Beginn eines autoritären politischen Herrschaftssystems sprechen? Stellt man diese Frage, werden als Antwort wohl mehrheitlich die Ereignisse vom März 1938 – die heute noch immer gerne unter dem unzutreffenden Schlagwort „Anschluss“ subsumiert werden – als zentraler Erinnerungsmoment in den Köpfen der Menschen abgerufen. Es wundert auch kaum, dass die Bilder vom „Heldenplatz“ aus heutiger Perspektive als „Anfang vom Ende“ gedacht werden; dabei war der Weg in den Untergang schon in den Jahren davor beschritten worden – in der Zeit des Austrofaschismus unter Dollfuß und Schuschnigg. Mittlerweile gilt in der Forschung als unbestritten, dass das Ende des Parlamentarismus, die Entstehung eines Einparteiensystems, aufkeimender Führergedanke, Versuche einer Massenmobilisierung und staatliche Kontrolle in vielen Bereichen des täglichen Lebens nicht erst mit dem „deutschen Einmarsch“ in Österreich Einzug gehalten haben. Die wesentliche Weichenstellung zu all diesen und noch mehr einschneidenden Veränderungen fand bereits ab März 1933 statt. Auch wenn die „Erfolge“ des austrofaschistischen Regierungssystems in vieler Hinsicht weit hinter den nationalsozialistischen Staatskontrollbemühungen zurück blieben, so sind Ähnlichkeiten in strukturellen Bereichen nicht zu verkennen – die Austrofaschisten hatten Gegebenheiten geschaffen, die eine Eingliederung Österreichs in das nationalsozialistische Staatsgefüge erleichterten. Ein Aspekt, der im vorliegenden Text die zentrale Rolle einnimmt, war dabei auch die Mobilmachung der Jugend, die ab 1933 immer mehr zum Spielball der neuen politischen Kräfte im Land wurde.
„Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.“ Dieses Zitat von Napoleon wurde von den Nationalsozialisten aufgegriffen und wurde zum Leitgedanken ihrer Kinder- und Jugendpolitik. Kurz und prägnant verdeutlicht diese Aussage wie kaum eine andere, welch große Bedeutung die junge Bevölkerungsgruppe für ein autoritär regierendes Politiksystem hat. Denn will/wollte man sich die Erwachsenen von Morgen als treue Verbündete (vor allem in kriegerischen Zeiten) sichern, musste die „Überzeugungsarbeit“ so früh wie möglich auf allen Ebenen des täglichen Lebens einsetzen. Dessen waren sich auch die austrofaschistischen Machthaber bewusst, und setzen alle verfügbaren Propagandamittel ein, um sich der zukünftigen Staatsbürger zu bemächtigen. Denn die Zukunft wurde klar im Kampf gesehen – ein Kampf für die neuen Ideale und Werte des Staates – und für eben diesen Kampf mussten die Jüngsten nicht nur in körperlicher, sondern auch in seelischer Hinsicht vorbereitet werden. Somit sind all jene Propagandamaßnahmen, die von der Regierung Dollfuß bzw. Schuschnigg ab März 1933 in Hinblick auf Kinder und Jugendliche getroffen wurden, von größter Bedeutung, denn in ihnen traten die Ziele dieses politischen Systems zu Tage. Österreichs Kinder und Jugendliche hatten jedenfalls schon vor „Hitlerjugend“ und „Bund deutscher Mädel“ gelernt, im Gleichschritt zu marschieren. …