Einleitung: Kaum ein Ereignis hatte die im Jahr 1986 immerhin schon knapp über vierzig Jahre alte (Zweite) Republik Österreich dermaßen schonungslos den Spiegel vorgehalten wie die Waldheim-Affäre. Kaum ein Ereignis wuchs zu einem dermaßen heftigen nationalen und internationalen Tornado der Polarisierung an. Kaum ein Ereignis schaffte es in Österreich so nachhaltig, die eigene, sorgfältig zurechtgezimmerte und behutsam gepflegte kollektive Story der Zweiten Republik und deren Mähr von der Insel der Seligen und des ersten Opfers des Nationalsozialismus in ihren Grundfesten so zu erschüttern. Und kein Ereignis zuvor hatte das lostreten können, was Österreich seinen Opfern des Nationalsozialismus der Jahre 1938-1945 bis dahin schuldig geblieben ist: Mit erheblicher Verspätung (1991) sollte sich erstmals die österreichische Bundesregierung im Namen des Volkes der eigenen Mitschuld an den Gräueltaten der NS-Herrschaft bekennen und folglich Restitutions-Maßnahmen ermöglichen. Die österreichische NS-Vergangenheit, davor stark tabuisiert, wurde plötzlich öffentlich diskutiert.
Das Jahr 1986 war historisch gesehen überaus prägend. Aus der Perspektive der Forschung scheint der politisch-mediale Ausnahmezustand rund um die Präsidentschaftskandidatur Dr. Kurt Waldheims (mit der journalistischen Aufdeckung seiner umstrittenen Kriegsvergangenheit) heute auf den ersten Blick ein bereits „ausgeforschtes“ Thema zu sein. Dennoch hielten Czernin und Tóth noch 2006 fest: „Im Rückblick liest sich manches klarer, anderes bekommt eine neue Wertung. Einiges wird aber weiterhin Gegenstand von Spekulationen bleiben. Für die universitäre Zeitgeschichtsforschung bleibt so gesehen noch genug zu tun“ (Tóth, Czernin, 2006, S. 13).
Und tatsächlich: Wer bei dieser Thematik einen zweiten, offeneren Forscher-Blick zulässt, wird – wie die Autorin des vorliegenden Aufsatzes – mit hoher Wahrscheinlichkeit überrascht sein, um welch zeitlosen Anreger zur Reflexion über den Umgang mit der österreichischen Vergangenheit, Gegenwart und letztendlich Zukunft es sich hierbei handelt. Viele Perspektiven und verborgenen „Schichten“ dieses Forschungsthemas zeigen sich dabei als potentielle Ausgangspunkte für neue, weiterführende Forschungsvorhaben offensichtlich.
Was etwa bisher nur wenig hinterfragt blieb, waren die „Köpfe hinter den Geschichten“ – aber genau diese prägten entscheidend die Art und Weise, wie mit dem Thema Waldheim-Affäre umgegangen wurde, welche Aspekte betont (oder vielleicht sogar ignoriert) wurden und welche es an die Spitze der Agenden schafften. So wurde in der hier beschriebenen Arbeit ein Fokus auf diese Journalisten bzw. Medienmacher-Persönlichkeiten und vor allem die Rahmenbedingungen, unter denen sie tätig waren, gelegt. Neben den persönlichen Beweggründen und Einflussvariablen auf die Behandlung der Causa Waldheim wurde auch konkret untersucht, vor welchen (persönlichen, rechtlichen) Herausforderungen diese Journalisten der 1980er Jahre gestellt waren (Stichworte: Akteneinsicht, Bewilligungen, Datenschutz, Zugang im österreichischen Staatsarchiv, Recherche im Vergleich damals zu heute, welche Quellen benutzt werden konnten, was schwierig war etc.). Damit werden vor allem die (Un-)Möglichkeiten der damaligen Recherche angesprochen und mit dem medialen Ereignis in Kontext gesetzt (man bedenke: damals war Fax die schnellste Technologie). Der Untersuchungszeitraum wurde auf den Wahlkampf zur Bundespräsidentenwahl 1986 eingegrenzt. …