Dieter J. Hecht: Nischen und Chancen – Jüdische Journalistinnen in der österreichischen Tagespresse vor 1938

Einleitung:

„Ich wünschte, dass die Frau in der allgemeinen politischen Presse mehr in Erscheinung träte, als es heute der Fall ist. “ (Fiausjcll, 1987, S. 25)

Dieser Wunsch (eines Mannes) aus dem Jahr 1931 spiegelt den langjährigen Kampf von Journalistinnen um ihre Position in einem von Männern dominierten Beruf wider. Frauen haben zwar eine lange Tradition im Journalismus, ihre Arbeit wurde jedoch häufig eingeschränkt, nicht beachtet, verdrängt und vergessen (Klaus, 1992, S. 57). Ganz besonders gilt das für jüdische Journalistinnen, die als Frauen und Jüdinnen nicht nur mit Antifeminismus sondern auch mit Antisemitismus konfrontiert wurden. Viele jüdische Journalistinnen wurden während der Shoa ermordet. Abgesehen von einigen Einzeldarstellungen blieb ihr Leben und Wirken auch in der rezenten wissenschaftlichen (Frauen-) Forschung weitgehend unbeachtet. Das, obwohl jüdische Frauengeschichte zunehmend auf Interesse stößt und viele der in der Literatur behandelten jüdischen Frauen zumindest nebenberuflich als Journalistinnen und Schriftstellerinnen tätig waren. Gesamtdarstellungen über jüdische Journalistinnen in der Tagespresse, in Periodika und Frauenzeitungen bleiben ein Desideratum. Über ihre männlichen Kollegen und jüdische Zeitungen bzw. Zeitschriften liegen hingegen bereits zahlreiche Publikationen vor.

Der Beruf des Journalisten hatte für nichtjüdische und jüdische Männer Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts emanzipatorische Bedeutung. Jüdische Männer konnten sich während des Vormärz und der Revolution von 1848 als Journalisten etablieren (Eine umfangreiche Liste jüdischer Journalistinnen in Österreich Findet sich im Jüdischen Lexikon. Als einzige Frau wird Alice Schalek erwähnt. Jüdisches Lexikony Bd. III, Berlin 1929, 371-375). Wie für die Männer bot der Journalismus zeitverzögert auch für nichtjüdische und jüdische Frauen emanzipatorische Möglichkeiten. Ein Überblick über die große Zahl schreibender (jüdischer) Frauen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts findet sich in Sophie Patakys Lexikon deutscher Frauen der Feder (1898) (Pataky, 1898.). Zu Berufsjournalistinnen können jedoch nur wenige der erwähnten Frauen gerechnet werden. Die meisten schrieben nebenberuflich für Zeitungen und Zeitschriften. Bis 1900 stieg die Zahl der Journalistinnen im Zuge der Etablierung einer differenzierteren Zeitungslandschaft, vor allem von Frauenzeitschriften, langsam an (Derka, 1995, S. 121f). Der Großteil dieser Journalistinnen stammte aus der Frauenbewegung, wobei Frauen aus bürgerlichem Milieu, die zumeist über einen höheren Bildungsgrad verfügten, häufig auch als Schriftstellerinnen arbeiteten. …