Eckart Früh: Vom Wiener „Stürmer“ und antisemitischen Dränger im Theater der dreißiger Jahre

Einleitung: Karl Kraus hat es als sein Amt bezeichnet, „die Zeit in Anführungszeichen zu setzen, wissend, daß ihr Unsäglichstes nur von ihr selbst gesagt werden“ könne (Karl Kraus: Schriften. Hg.: Christian Wagenknecht. Bd. 4: Untergang der Welt durch schwarze Magie. Frankfurt a. M. 1989, S. 73).In diesem Sinn hat er „Die letzten Tage der Menschheit“ ein „großes Zitat“ (Die Fackel (in der Folge: F) 800, S. 2.) genannt und im Vorwort festgestellt: „Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche; die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Eifindungen sind Zitate.“ (Karl Kraus: Schriften. Hrsg.: Christian Wagenknecht. Bd. 10: Die letzten Tage der Menschheit. Frankfurt a. M. 1986, S. 9.)

Ganz klar: um ihr satirisch beizukommen, hat sie dieser „Abschreiber der Zeit“ (F 800, S. 45) zitiert und beim eigenen Wort genommen. So auch Pogatschnigg, genannt Teut, aus den „Letzten Tagen der Menschheit“, der sich bei der Vereinssitzung der Cherusker in Krems zum verbürgten Wort meldet (Vgl. F 431, S. 83f), um, „Wodan“ ist sein „Schwurzeuge“, ohne weiteres zur Sache zu kommen: „Der herrliche Angriff auf die Welschen, der diese Abruzzenschufte aus Tirols ewigen Bergen hoffentlich für immerdar hinausbefördert, ist uns gelungen! (Rufe: Hedl!) Zuversichtlich erwarten wir, daß auch der mosko- witische Bär mit blutenden Pranken weidwund heimschleicht! Und ihm nach die Knoblauchduftenden, unsere Kohnnationalen! Heil! (Rufe: Bravo! Hedl! Hoch Teut! Hoch Pogatschnigg!) Eine Stimme: Jidelach! (Heiterkeit.)“ (Karl Kraus: Schriften Bd. 10 (Anm. 3), S. 347.)

Heil oder Siegheil? – das ist keine Frage; denn gleich darauf wird sich ein weiterer Redner zu Wort melden, um „den Treuschwur zu erneuern, wonach“ der „Kampf bis zum siegreichen Ende (…) durchgeführt“ werde (ebd. S. 348).

Zum Endsieg sollte es nicht langen, aber der Kampf ging auch nach Ausbruch des Friedens, nunmehr im Zeichen des unheiligen Kreuzes weiter. Karl Kraus sah bereits Anfang 1921 in deutschen Landen „das Hakenkreuz über den Trümmern des Weltbrands“ (F 557, S. 59) ragen. Personal aus den „Letzten Tagen der Menschheit“ übernahm es, ihre Fortsetzung zu betreiben. Kaum war die Republik ausgerufen, stimmte Teut, vulgo Karl Gruber, in der Ostdeutschen Rundschau einen triumphalen „Abgesang“ auf die ermordeten „Helden der Novembertage“ an…