Einleitung: Als die Frauenorganisation RAWA im Jahr 1977 in Kabul gegründet wurde, schien in Afghanistan die Morgenröte der Modernisierung angebrochen zu sein. Studentinnen und Studenten trafen sich in literarischen Zirkeln oder in politischen Gruppierungen, um über Demokratie und nationalen Fortschritt zu diskutieren, der König war reformfreudig, und das Land öffnete sich vorsichtig, aber stetig den Einflüssen der großen weiten Welt.
RAWAs Zeitschrift Payam-e-Zan, zu deutsch Stimme der Frau, passte in dieses hoffnungsfrohe Bild. Eine anspruchsvolle politische Zeitschrift, herausgegeben von Frauen! Das war eine Sensation, über die sich auch fortschrittlich denkende Männer freuten. Noch heute trifft man auf afghanische Männer, die sich an die frühen Jahre dieser Zeitschrift erinnern, sie sogar als die erste Quelle ihrer eigenen politischen Bildung nennen. Doch bald folgte der Niedergang. Der König wurde durch einen Kusin gestürzt, dann dieser per Staatsstreich abgesetzt. Das darauffolgende Regime gab sich blutigen Fraktionskämpfen hin (zwischen den rivalisierenden Gruppen Parcham und Khalq), bis schließlich die Sowjetunion einmarschierte, um ihre lokalen Stellvertreter gewaltsam an der Macht zu halten. Diesen Krieg gewannen, mit massiver westlicher Unterstützung, die sogenannten Mujahedeen, fundamentalistische Krieger, die sich vorübergehend als „Freiheitskämpfer“ stilisierten. Kaum waren die Russen vertrieben und die Amerikaner zufrieden abgezogen, brach der Bürgerkrieg aus. Von 1992 bis 1996 regierte das Terrorregime der so genannten Nordallianz, und dann die Taliban …