Einleitung: Im Rückblick auf verflossene Jahrzehnte scheint es mir, als hätte es in dem Zeitabschnitt zwischen 1934 und 1945 mehr politische Parteien gegeben als sonst in der Geschichte der Republik. Aber die Rede ich nicht vom „Ständestaat“ oder von der von Hitler besetzten „Ostmark“, sondern von der österreichischen Emigration in aller Welt. Nicht nur in Paris und London, in Stockholm, in New York und Los Angeles, auch in Shanghai, in Mexico und den Staaten Südamerikas lebten die heimatlos gewordenen Österreicher. Noch im Taumel einer geglückten Flucht bildeten sie sehr bald politische Vereinigungen, entwarfen sie Manifeste, gründeten sie Zeitschriften, nahmen sie Kontakte mit politisch gleichgesinnten Gruppen im Exilland auf und waren beherrscht von der Illusion eines kurzen Krieges, und daß Österreich noch nicht gestorben sei, daß die Welt die Vergewaltigung ihrer Heimat nicht hinnehmen würde. Aber der trübselige Alltag der Emigranten verdrängte bald alle Wunschvorstellungen.
Nur wenige hatten die Chance, bei Verwandten und Freunden Hilfe zu finden. Für die Mehrheit war die materielle Not die alles andere überlagernde Wirklichkeit. Innerhalb kurzer Zeit zeigte es sich deutlich, daß die politische Vergangenheit auch im Exil den Einzelnen nicht los ließ. Sozialdemokratische Gruppen des rechten und des linken Flügels entstanden, die Gefolgsleute der Vaterländischen Front, der Gruppe um den früheren Staatssekretär Guido Zer- natto, Freunde des Diplomaten Martin Fuchs, Monarchisten, Trotzkisten, Kommunisten, ja auch solche österreichische Emigranten, die in einem später wieder demokratisch gewordenen Deutschland die Zukunft erblickten, formierten sich. Dabei war nicht zu übersehen, daß überraschenderweise die Journalisten, denen die Flucht gelungen war, anfangs zu den passivsten Zeitgenossen zählten. Vielleicht deshalb, weil sie noch im Besitz der meisten Informationen über die Entwicklung vor und kurz nach dem „Anschluß“ verfügten und sich die geringsten Illusionen machten…