Einleitung:
„Lift up the receiver
I’ll make you a believer“
(Depeche Mode)
Damals, kurz vor dem Fall der Mauer, waren mir die Fronten relativ klar: Geschniegelte Jungs mit Benetton-Rucksack hörten weichgespülte Popmusik und sympathisierten mit der Jungen Union – auf fertig getrimmte Langhaarige standen auf Gitarrenlärm und trafen sich im linken Freizeitzentrum. Derart simple Zuordnungen, rechts ist irgendwie brav und links irgendwie aufsässig, schienen hilfreich zu sein und typisch für die Angehörigen der als „Generation Golf“ beschriebenen bundesdeutschen Jugend der 1980er Jahre. Dass sie längst nicht mehr funktionieren (falls sie es je taten), zeigt ein aktueller Blick in einige ländliche Regionen Deutschlands, wo rechts bis rechtsextrem geprägte Jugendkulturen das ehemals den Linken zuerkannte Aufsässigkeitsmonopol für sich beanspruchen.
Politisch eindeutig interpretierbare Zeichen der Popkultur sind offenbar rar geworden. Bereits in den 1990er Jahren mussten linke Pop-Theoretiker erschüttert zur Kenntnis nehmen, dass Ausländerwohnheime von Malcolm-X-Baseballkappenträgern angezündet wurden. Gibt es heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, überhaupt noch linke Identität stiftende Phänomene popkultureller Art in Deutschland? Hat es sie überhaupt jemals gegeben? Und falls ja: Wie lassen sie sich beschreiben? Die folgenden Überlegungen werden diese Fragen nicht vollständig beantworten können. Sie sind aber als Anregung gedacht, Antworten zu finden, die weniger auf Klischees als auf kultur- und gesell- schaftsgeschichtlichen Untersuchungen und Erkenntnissen basieren. …