Einleitung: Zur Preisfrage erhob 1759 die Akademie der Wissenschaften das Thema: Über den Einfluß der Sprachen in die Meinungen und der Meinungen in die Sprachen. Prämiert und für den Preis würdig befunden wurde die Arbeit des Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis (1717-1791). Aus heutiger Sicht kann dies als eine Frage nach dem wechselhaften Verhältnis von öffentlicher Meinung und Sprache verstanden werden, wobei für letztere (noch) nicht unterschieden wird zwischen Sprache als System, also – entsprechend den nun schon traditionellen Begriffen F. de Saussures – langue, Sprache als kollektive Kommunikationsform (language) und Sprache als subjektive Sprechweise (parole). Und über die terminologischen Konjunkturen ersterer existieren ohnehin etliche breit angelegte Abhandlungen wie genügend Kontroversen, so daß sich hier ihre Reprise nicht nur erübrigt, sondern auch als unrealisierbar erweisen würde. Beantworten ließ sich die Frage damals nur phänomenologisch und historiographisch, heute könnte es auch bis zu einem gewissen Grad empirisch geschehen, allerdings nicht für den Systemaspekt und hinsichtlich der Reichweite unter Begrenzung sowie Reduktion der Wirklichkeit und ihrer Komplexität.
Welchen Ursprung Sprache hat, welchen Einfluß sic nimmt auf die Phylogenese und Ontogenese, wie sich etwa die Interdependenz von Sprache und Denken beschreiben und erklären läßt, das waren zu der Zeit bewegende, vielfach und von mannigfaltigen Denkrichtungen erörterte Fragen, Rousseau, Herder und andere beteiligten sich bekanntlich vehement an diesem Diskurs. Moses Mendelssohn, der jüdische Aufklärer und Humanist, begrüßte den Juryentscheid mit eigenen Überlegungen und gab zu bedenken: „Die Aufgabe fordert weit mehr als eine bloße Sprachgelehrsamkeit, sie erforderte eine gründliche Kenntnis der Meinungen und philosophische Beurteilungskraft“ (Nachama/Siever- nich, 1991, S. 479). …