Klaus Siebenhaar: „Bismarck in der Badewanne“ Anmerkungen zu einer Legende: Die Berliner Zeitschrift "Querschnitt" (1921 – 1936)

Einleitung: Magazine sind Behältnisse auf Zeit. Die in ihnen gelagerten Güter unterliegen dem Kreislauf von Nutzen und Verbrauch. Vorratshäuser fürs Immaterielle stellen sich quer zur Zeit, wollen sie doch festhalten und aufbewahren, was ansonsten im Strom des Flüchtigen verlorenginge.

Querschnitte bedeuten im Reich der Geometrie: der Schnitt durch einen Körper quer zur Längsachse. Der Querschnitt soll neben der äußeren Umrißform auch die innere Beschaffenheit des geschnittenen Körpers kenntlich machen. Das heißt: Der Schnitt schert sich nicht um Hierarchien, er legt Bedeutendes wie Nebensächliches frei, und an den Rändern bleibt immer etwas liegen.

Das Q ist ein verhältnismäßig seltener Buchstabe, sperrig und in Gestalt nur bedingt eigenständig. Genau genommen eine höchst widersprüchliche Erscheinung: Vom Kreis beherrscht, doch als Anfangsbuchstabe dem Quadrat verschrieben und in seiner großen Form schließlich von einem nach oben strebenden Balken oder Haken aufgebrochen.

Wer eine Zeitschrift Querschnitt nennt, sie als Magazin – zumal für „aktuelle Ewigkeitswerte“ – deklariert, muß sich solche Metaphern-Spielerei gefallen lassen, veranschaulicht sie doch mindestens einen Teil der Wahrheit.

Aber der Reihe nach:
Legenden sind hartnäckig und durch kaum etwas zu erschüttern. Alfred Flechtheims und Hermann von Wedderkops sagenhaftes Periodikum Querschnitt lebt bis heute als Glanzstück der „roaring twenties“ weiter, längst entrückt in den Olymp der gegossenen Lettern und schönen Fotos. …