Einleitung: Der vielzitierte Ausspruch von Bundeskanzler Vranitzky über Österreich als „Antithese zum Nationalsozialismus“ hat zumindest insofern Relevanz, als die am 27. April 1945 wiedererstandene Republik Österreich ihre Verfassungsordnung grundlegend in Richtung Antifaschismus verändert hatte. Mit dem am 8. Mai 1945 beschlossenen Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP wurden nicht nur alle bestehenden NS-Organisationen aufgelöst, sondern auch jede Wiederbetätigung im nationalsozialistischen Sinn verboten und unter schwere Strafen gestellt. In den Staatsvertrag 1955 wurden weitere antifaschistische Bestimmungen aufgenommen, die durch das Verfassungsgesetz vom 4. März 1964 gleichfalls Verfassungsrang erhielten.
Die antifaschistische Verfassungsordnung Österreichs wurde lange Zeit von Politikern und Juristen nicht ernst genommen; selbst sozialdemokratische Politiker erklärten als Innen- oder Justizminister, daß diese Verfassungsbestimmungen, etwa hinsichtlich des Verbots neonazistischer Parteien, nicht unmittelbar anwendbar seien oder nicht angewendet werden sollen. Fragwürdige politische Überlegungen – wie zum Beispiel Verbote und Verfolgungen würden „Märtyrer“ schaffen oder die angebliche Attraktivität illegaler politischer Tätigkeit für Jugendliche – wurden in der Praxis höher gestellt als die Verfassung. …