Norbert P. Feldinger: Halbe Lösungen, vertane Chancen Vom Besetzungsrundfunk zum ORF (1952–1957)

Einleitung:

Besatzungssender am Ende

Nachdem die Alliierten 1945 die Kontrolle über die Medien übernommen hatten, war doch rasch zu erkennen, daß der Freiraum Österreichs in der Pressepolitik größer als in der Rundfunkpolitik sein werde. Vor allem von amerikanischer Seite wurde der Rundfunk als Propagandainstrument und Werkzeug im kalten Krieg verwendet.

Die Bestrebungen Österreichs, die Sender unter eigene Verwaltung zurückzuerhalten, blieben lange Jahre unerfüllt. Erst mit Wirkung vom 1. August 1952 gab als erste die französische Besatzungsmacht die Oberhoheit über ihre Sendergruppe an die Landesregierungen von Tirol und Vorarlberg zurück. Damit begann aber auch ein Radiokrieg der Länder gegen den Bund.

Der Schritt der Franzosen, die Senderanlagen den Landesregierungen und nicht dem Bund zu übergeben, war ein Schlag gegen die Zentralisierungsgedanken des Bundesministers für Verkehr und verstaatlichte Betriebe, Karl Waldbrunner.

Die Übergabe der Sendergruppe „Alpenland“ mit den Sendern Graz-Dobl, Graz-St. Peter und Klagenfurt begann sich Ende des Jahre 1953 anzubahnen. In einem Briefwechsel zwischen Waldbrunner und dem britischen Botschafter in Wien, Sir Harold A. Caccia, im November und Dezember 1953 wurde grundsätzlich Einigung über die Übernahme der Anlagen durch die öffentliche Verwaltung des österreichischen Rundspruchwesens erzielt. Die öffentliche Verwaltung stand ja formell unter der Befehlsgewalt der Alliierten. Die Übergabe selbst erfolgte im Frühjahr 1954 an die österreichische Bundesregierung. Von Wien aus wurde nun begonnen, verstärkt darauf hinzuweisen, daß die ehemaligen Besatzungssender nun Teil des „Österreichischen Rundfunks“ seien.

Ab Anfang des Jahres 1953 zeigte auch die amerikanische Besatzungsmacht erste Verhandlungsbereitschaft bezüglich einer Übergabe ihrer Senderanlagen. Die Form dieser Übergabe war allerdings noch offen. Die amerikanischen Stellen in Österreich wollten die Übergabe der Sender Salzburg und Linz an die Landesregierungen mit der Einschränkung eines amerikanisches Kontrollrechtes forcieren, wobei „Rot-Weiß-Rot“ Wien vorerst amerikanischer Sender bleiben sollte. Das State Department hingegen trat eher für ein einheitliches österreichisches Rundfunksystem unter Einschluß aller Besatzungssender ein.
Über ein Jahr später, am 9. März 1954, gab die österreichische Bundesregierung im Anschluß an den Ministerrat bekannt, daß Einigung über die Übergabe der „Rot-Weiß-Rot“-Sender Linz und Salzburg an die Bundesregierung erzielt worden sei. Der „Rot- Weiß-Rot“-Sender Wien sollte wie bisher auf Kosten der Vereinigten Staaten von Amerika weiterbetrieben werden. Am 16. März 1954 um 5:50 Uhr meldete sich so in Salzburg und Linz erstmals „Radio Österreich“ zu Wort.

Mit 25. April 1954 trat eine Neuordnung der Programmgestaltung in Kraft. Das „Erste Programm“ sollte im Mittelwellenbereich ein repräsentatives österreichisches Programm mit hohem kulturellem und künstlerischem Niveau bieten. Das „Zweite Programm“ war als Regionalprogramm der Bundesländer im Bereich der Ultrakurzwelle vorgesehen. Das „Dritte Programm“ sollte ein ergänzendes Programm im UKW-Bereich, dem besondere Aufgaben übertragen werden könnten, darstellen.

In Zusammenhang mit dieser Umorganisation des Rundfunkwesens in Österreich wurde der bisherige Leiter der wissenschaftlichen Abteilung von Radio Wien, Bundesrat Alfons Übelhör, mit Wirkung vom 1. März 1954 anstelle von Siegmund Guggenberger zum öffentlichen Verwalter des österreichischen Rundspruchwesens ernannt. Guggenberger hatte innerhalb der österreichischen Volkspartei schon seit längerer Zeit viel an Vertrauen eingebüßt, sodaß künftig Alfons Übelhör gemeinsam mit Wilhelm Füchsl die Neuordnung des Rundfunks seitens der öffentlichen Verwaltung leiten sollte.

Aber auch mit dieser Reform gab es noch keinen einheitlichen österreichischen Rundfunk. Die Senderstationen Aldrans in Tirol und in Lauterach in Vorarlberg waren noch nicht unter der Kontrolle der Bundesregierung…