Eine Refelxion über 30 Jahre medien & zeit
von Dr. Gaby Falböck
Obfrau des Arbeitskreises für historische Kommunikationsforschung
30 Jahre medien & zeit! Geburtstage geben stets Anlass zur Rückschau und Reflexion über das vergangene Jahr. Runde Geburtstage regen meist weitreichendere Selbstbetrachtungen an: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden be- und mitunter ausgeleuchtet. Aus den Entwicklungslinien entspinnt sich ein roter Faden. Was für menschliche Existenzen gilt, zählt auch für Zeitschriftenprojekte und die dahinterstehende Herausgebergemeinschaft. Zeit also nachzudenken, Zeit medien & zeit unter die Lupe zu nehmen.
Vorderansicht:
Das Profil des Zeitschriftenprojekts weist einige markante Züge auf…
medien & zeit ist nicht feige, scheut weder Konflikte noch Kontroversen. In den Anfangsjahren griff die Zeitschrift neue und die wunden Punkte der Gesellschaft antastende Themen wie Exiljournalismus (Ausgabe 1/1988, 2/1988) und Antisemitismus in der österreichischen Presse der Vergangenheit wie der Realität der 80er Jahre (3/1988) auf. Nationalsozialistische Kontinuitäten in den Berufsbiographien österreichischer Journalisten wurden ebenso wenig unter den Teppich gekehrt (1/1989, 3/1995) wie die problematischen Geschichten der eigenen „Mütter“ und „Väter“ und VordenkerInnen die im Fach Kommunikationswissenschaft großteils unhinterfragt blieben (2-3/2002). Das Aufgreifen dieser Themen in diesen Zeiten erforderte Mut, Wachheit und Wille zur Aufklärung in Wissenschaft wie Gesellschaft.
medien & zeit ist zeitgemäss und keineswegs von gestern:
Schon ein kursorischer Blick auf die Themen der Hefte in den letzten Jahren zeigt, wie aufmerksam die Zeitschrift gesellschaftliche Debatten beobachtet, aufgreift und historisch ausleuchtet. Nach Ende des ersten Jahres der Wirtschaftskrise 2009 lieferte medien & zeit mit dem Thema „Versatzstücke einer Kommunikationsgeschichte der Armut“ einen historischen Blick auf Krisen und deren Auswirkungen (1/2010). Die Aufdeckung der Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes, benannt mit NSA Affäre, die hiesigen Diskussionen über die Aufhebung des Amtsgeheimnisses nahm medien & zeit zum Anlass um über den Terminus „Geheimnis“ theoretisch wie praktisch nachzudenken (2/2014). Die innerhalb und außerhalb der Kommunikationswissenschaft aufflackernde Debatte um die Popularisierung von Wissenschaft, das Nachdenken über die Möglichkeiten der Vermittlung des Wissens an die Gesellschaft zog 2012 nicht nur die Gründung der ad hoc Fachgruppe „Wissenschaftskommunikation“ innerhalb der „Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft“ nach sich. Es führte mit der Ausgabe 4/2013 auch zu einem Themenheft „Wissenschaftskommunikation historisch betrachtet“, herausgegeben von Fachgruppensprecherin Corinna Lüthje. Nachhaltigkeit, Verantwortung und Corporate Social Responsibility sind Begriffe, die in Anbetracht der nach wie vor anhaltenden ökonomischen Krise und ihrer Folgen gesellschaftlich virulent sind. Dass und wie man diese neuen Begriffe und Debatten auch historisch angehen kann, ist in medien & zeit Ausgabe 1/2014 nachzulesen.
medien & zeit greift Medienpluralität auf:
Printmedien und Journalismusgeschichte stehen immer wieder im Fokus der Zeitschrift, aktuell mit 4/2014 und 1/2015, aber auch 3/1994 und 3/2007. Filmgeschichte ist in den Ausgaben 4/1996, 3/1997, 2/2001, 4/2002 und 1/2003 (Stummfilm) nachzulesen. Ein Aufriss zur österreichischen Radiogeschichte aus Anlass von 80 Jahren Radio beinhaltet die Ausgabe 2/2004. Auseinandersetzungen mit der nach wie vor streiflichtartig ausgeleuchteten österreichischen Fernsehgeschichte finden sich in 3/1998, 2/1999, 3/2005 sowie in der internationalen Perspektive 2/2005 und 2/2008. Selbst randständig und nachlässig befasste mediale Angebote wie Karikatur (1/1991) und Comic (3/2001) wurden in medien & zeit befasst. Erste Ansätze zur historischen Auseinandersetzung mit dem Internet finden sich in der Ausgabe 2/2013. Diese sollen als Auftakt für künftige Auseinandersetzungen von medien & zeit mit dem WWW begriffen werden.
medien & zeit zeigt, welche Blickwinkel sich durch theoriegeleitetes Vorgehen in historischer Brechung eröffnen:
Feministische Ansätze der historischen Forschung finden sich in Ausgaben 1/1995, 2/2000 sowie 3/2009. Dass Erinnerungen und Erinnerungskultur auch mit populärkulturellen Parametern betrachtet werden kann, führt medien & zeit 4/2009 auf anregende Art und Weise vor. Nicht zuletzt greift die Zeitschrift Ansätze der Unterhaltungsforschung als Rahmen für kommunikationsgeschichtliche Auseinandersetzung auf: Anrührung mit Kitsch und Kult (4/2012 und 1/2013), Lachen in der Themenausgabe Humor (3/2014). Mehr zu Liebe in all ihren medialen Ausprägungen, aber auch Horror und Spannung werden folgen.
Innenansicht:
Die HerausgeberInnen – eine bunte Mischung
medien & zeit ist 30… und wird von den Mitgliedern erster Stunde Fritz Hausjell, Wolfgang Duchkowitsch und Norbert P. Feldinger seit damals begleitet und geleitet.
medien & zeit ist 30 … und nach wie vor jung. Nicht erst seit gestern fungiert die Zeitschrift als Arbeits- und Erfahrungsfeld wie Publikationsplattform für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Das lässt sich anhand der Biographien engagierter langjähriger Mitglieder des Arbeitskreises für historische Kommunikationsforschung ebenso nachvollziehen, wie es sich im Moment anhand der Aktivitäten der jüngsten Mitglieder ablesen lässt. Eine Nachwuchstagung, augenzwinkernd under.docs – Fachtagung junger Medien- und Kommunikationswissenschaft tituliert, wie auch der neu entstandene Facebook Auftritt legen Zeugnis davon ab.
Mit dieser Mischung, langjährige Erfahrung in Wissenschaft und wissenschaftlicher Publikation wie Ideenreichtum und waches Interesse der Grassroots wird medien & zeit ins nächste Jahrzehnt gehen.