Fritz Hausjell: Vertriebene Theaterkritik Ludwig Ullmanns antinazistischer Kulturjournalismus Anfang der dreißiger Jahre in Wien

Einleitung: Ludwig Ullmann wurde am 2. April 1887 in Wien geboren. In seiner Heimatstadt schloß er zunächst ein Studium fast ab – die Dissertation war 1910 bereits approbiert, aber er trat dann zu den abschließenden Prüfungen nicht an, weil er mittlerweile Arbeit gefunden hatte. Er arbeitete in den Jahren 1910 und 1911 bei Karl Kraus‘ Fackel mit und erledigte von 1910 bis 1912 für Kraus Sekretariatsarbeiten. Im selben Zeitraum engagierte er sich als Vorsitzender des „Akademischen Verbands für Literatur und Musik in Wien“. Diese von Studenten getragene Gruppe organisierte zwischen 1909 und 1914 für ein breites Wiener Publikum wichtige Veranstaltungen in den Bereichen Literatur, Musik und Kulturpolitik. Beteiligt war er in der Folge an der Herausgabe der unregelmäßigen „Flugblätter“ mit dem Titel Der Ruf. 1917/18 gab er mit Otto Schneider auch die Zeitschrift Der Anbruch, ein ebenfalls bedeutendes Periodikum des Expressionismus, heraus.

Bereits im Frühjahr 1912 hatte Ullmann die Möglichkeit bekommen, für die Zeitungen des Elbemühl-Konzems in Wien als Feuilletonist und Theaterkritiker – vor allem für die Wiener Mittags-Zeitung und das Fremden-Blatt – zu arbeiten. Von 1913 an war er hauptberuflich Journalist bei der Wiener Allgemeinen Zeitung. Dort wirkte er in erster Linie als Theaterreferent, erfüllte aber auch oft die Aufgaben eines Chefredakteurs. Von 1917 bis 1922 arbeitete Ullmann zudem als Dramaturg an der „Neuen Wiener Bühne“.

Ludwig Ullmann „zählte in den zwanziger und dreißiger Jahren zu den wichtigen und einflußreichen Kulturpolitiken! auf dem Gebiet des Theaters in Wien“2. Dennoch entdeckte ihn die Forschung erst drei Jahrzehnte nach seinem Tod. Die erste biographische Skizze veröffentlichte der Wiener Germanist Heinz Lunzer 19883, dem 1991 ein Symposionsbeitrag4 folgte. Lunzer verdanken wir auch das Bemühen, daß eine „Sammlung Ullmann“ in der „Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur“ eingerichtet wurde, die laufend ausgebaut wird.5 Die erste österreichische Exiljoumalismus-Antho- logie aus dem Jahr 1995 würdigt Ullmann mit der Aufnahme von immerhin acht Texten; nur Alfred Polgar ist darin mit etwas mehr Beiträgen stärker als Ullmann präsent.6 Ullmann hätte sich die Auseinandersetzung mit seinem Werk zweifellos schon viel früher verdient. Seine Bemühungen, Zusammenstellungen eigener Essays in Buchform in den 50er Jahren zu veröffentlichen, waren gescheitert…