Oliver Rathkolb: U.S.–Medienpolitik und die neue österreichische Journalistenelite

Einleitung
Vorweg sollte festgehalten werden, daß der Verfasser aufgrund von Einzelstudien zur Geschichte der Besatzungszeit in Österreich nach 1945 zur Ansicht gekommen ist, daß es die „Stunde Null“ als vollständigen Neubeginn nicht gegeben hat. Dies wird durch die vielschichtigen verdeckten Kontinuitäten innerhalb unseres gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Lebens in anschaulicher Weise bewiesen. Es handelt sich im konkreten Fall jedoch nicht nur um eine partielle Kontinuität der Eliten aus der Zeit des Austrofaschismus und Nationalsozialismus, sondern auch um inhaltliche Kontinuitäten, die vor allem hinsichtlich konservativer Interpretation von Demokratie Auswirkungen auf unsere politische Kultur nach 1945 zeigten: Wohl gab es keine Diktatoren mehr, aber alliierte Besatzungsbehörden, und die österreichische Bürokratie und die Politikerelite traten durchaus als „Autoritäten“ im eigentlichen Sinn des Wortes auf.

In diesem Beitrag soll die Rolle jener Besatzungsmacht untersucht werden, die ihre demokratischen Erfahrungen auch im Bereich des Journalismus einbringen wollte. Bereits ein flüchtiger Blick auf die US-Nachkriegsplanungen genügt, um den Nachweis zu erbringen, daß hier die engagiertesten und umfassendsten gesellschaftlichen Veränderungen projektiert waren: Reeducation – Umerziehung; Denazification – Entnazifizierung; Decartelization und Demilitarization waren Schlagwörter, die die Überlegungen zur permanenten Überwindung des Nationalsozialismus begleiteten. Der Ausgangspunkt für diese Projekte war eine Faschismusanalyse, nicht zuletzt beeinflußt durch die Frankfurter Schule, wobei vor allem seit 1943 Franz L. Neumann (Gewerkschaftsjurist und Politologe), Otto Kirchheimer (Staatsrechtler) und Herbert Marcuse (Philosoph) die entscheidenden Denkanstöße lieferten. In ihrer Faschismusanalyse, die am besten von Neumann in dessen Studie „Behemoth“ zusammengefaßt wurde, dominiert neben der Kapitalismusanalyse (Monopolisierter Privatkapitalismus, durch Staatseingriffe gestützt, aber keineswegs planwirtschaftlich geregelt) die bewußte Auseinandersetzung mit der Sozialstruktur im Sinne einer Elitenherrschaft von Spitzen der Partei, der Wirtschaft, der Staatsbürokratie und des Militärs. Daher könne die nationalsozialistische Herrschaftsordnung nur zerstört werden, wenn es zu einer Elitenumschichtung käme, die die unterdrückten Mittel- und Arbeiterschichten begünstigen und in demokratiebestimmende Positionen bringen sollte. Aus diesen Überlegungen heraus, deren Rahmenbedingungen und Grenzen hier nicht aufgezeigt werden können, bleibt die Feststellung relevant, daß die rigiden Entnazifizierungsbestimmungen in Richtung Elitenaustausch sehr nachhaltig von solchen Überlegungen getragen wurden. …