Einleitung: Nicht die Öffentlichkeit hatte auf den Rundfunk gewartet, sondern der Rundfunk wartete auf die Öffentlichkeit.“ So hatte Bertolt Brecht Ende der zwanziger Jahre in einem seiner ex post zur „Radiotheorie“ zusammengefassten Texte konstatiert. Eineinhalb Jahrzehnte und zwei Systemwechsel später war die Situation anders: Nach dem Ende der NS-Herrschaft wartete die deutsche Öffentlichkeit auf einen neuen Rundfunk – und es wurde Einiges von ihm erwartet: Kanal der aktuellen Information sollte er sein, Werkzeug der (Um-) Erziehung, Unterhaltungsmittel, Kulturfaktor …
Was darunter jeweils zu verstehen ist, welche gesellschaftlichen Funktionen dieses „Multiinstrument“ Rundfunk erfüllen sollte, wie es konkret auszugestalten sei, darüber gingen aber die Vorstellungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinander. Entwickelt hat sich eine vielfältige Hörfunk- und Fernsehlandschaft mit unterschiedlichen Organisationsformen, Anbietern, Programmangeboten und Nutzungsmustern. Vielfältig wie die Erscheinungsformen des Rundfunks sind auch die Ansätze und Zugänge der rundfunkhistorischen Forschung. Die Münchner Tagung brachte unter dem Titel „Studien zur Rundfunkgeschichte nach 1945. Interdisziplinäre Ansätze und Forschungsperspektiven“ Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher Fächer – Kul- turwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler, Historikerinnen, Kommunikationswissenschaftler und Medienwissenschaftlerinnen, Germanisten, Volkskundlerinnen und Theaterwissenschaftlerin- nen – zusammen, um einen Austausch über den gegenwärtigen Forschungsstand wie auch über Forschungsperspektiven aus der Sicht der verschiedenen Disziplinen anzuregen. Welche speziellen Erkenntnisinteressen stehen jeweils im Fokus der Forschung, welche theoretischen Ansätze werden vertreten, welche Quellen werden wie genutzt, welche Probleme harren einer Lösung? Fragen dieser Art standen im Mittelpunkt der Diskussionen. Impulse dazu gaben 15 Spezialvorträge, wobei der inhaltliche Schwerpunkt auf Studien zur bayerischen Rundfunkentwicklung lag. Am Beginn der gut zweitätigen Veranstaltung mit mehr als 70 Teilnehmern stand eine öffentliche Podiumsdiskussion über die rundfunkpolitischen Debatten in Bayern zu Anfang der siebziger Jahre, die zur Einführung eines neuen Paragraphen in der Landesverfassung (Art. lila) führten, wonach Rundfunk nur in öffentlich-rechtlicher Verantwortung veranstaltet werden darf – und über die Folgen dieses „bayerischen Sonderwegs“. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und Hildegard Hamm-Brücher, damals Mitinitiatoren des wegweisenden Volksbegehrens zur „Rundfunkfreiheit“ beleuchteten die Zeitumstände, Wolfgang Langenbucher, Dietrich Schwarzkopf, Wolf-Dieter Ring (heute Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien) und andere zeichneten den Weg nach, wie es dennoch auch in Bayern zum dualen Rundfunksystem kam. Ein wohl zwangsläufiger Prozess, so bestand Einigkeit, wobei aber bayerische Spezifika wie eine stärkere regionale Vielfalt der Sendeangebote weiterhin zum tragen kommen müssen. …