Rudolf Stöber: Positive Tagungserinnerungen Antworten zur Rundfrage

Nachdem ich zu einem kommunikationshistorischen Thema (Verbandsinteresse und Pressefreiheit in der Weimarer Republik) von Bernd Sösemann promoviert worden war, habe ich umgehend einen Antrag auf Aufnahme in die DGPuK gestellt. 1992, zur Jahrestagung in Bamberg, wurde ich aufgenommen. Dort traf sich ein kommunikationshistorischer Arbeitskreis, aus dem wenig später die Fachgruppe Kommunikationsgeschichte in der DGPuK hervorging. 1998 wurde ich für zwei Jahre zum Sprecher der Fachgruppe, die gewissermaßen das deutsche Pendant zum AHK ist, gewählt. Als frischberufener Lehrstuhlinhaber, wiederum in Bamberg, hatte ich die Freude, eine Fachgruppentagung der Journalismusforschung als Gastgeber begrüßen zu dürfen. In diesem Zusammenhang fragten mich Fritz Hausjell und Wolfgang Duchkowitsch, ob ich bereit sei, dem Beirat der Zeitschrift medien & zeit beizutreten; dem habe ich gerne entsprochen, zumal ich es als besondere Ehre empfand, als Mitherausgeber des in gewissem Maße konkurrierenden Periodikums „Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte“ (es erscheint seit 1999) gefragt worden zu sein. Besonders gerne erinnere ich mich an die gemeinsame Tagung von AHK und Fachgruppe Kommunikationsgeschichte, die aus Anlass des 20. Bestehens von medien & zeit im Januar 2006 in Wien stattfand.

Es kann nicht im Sinne einer wissenschaftlich und intellektuell anspruchsvollen Kommunikationsgeschichte liegen, primär ereignisgeschichtlich zusammenzutragen, was und „wie es gewesen“ ist – um Ranke zu zitieren. Selbstredend ist Faktenrichtigkeit das Fundament jeder historischen Beschreibung, aber Geschichtsschreibung darf sich nicht in ihr erschöpfen. Ebenso kann es nicht um antiquarische Sammelleidenschaft um der Sammlung willen gehen. Allerdings ist die Quellensicherung das – leider nicht-selbstverständliche – Fundament jeder historischen Wissenschaft.

Wenn die Kommunikationsgeschichte im Kontext der Kommunikationswissenschaft sinnvoll sein, d.h. auch in Zukunft Relevanz besitzen will, muss sie Erklärungen liefern: Sie darf nicht nur beschreiben, so wichtig dies als selbstversichernde Grundlage ist. Sie muss darüber hinaus analysieren, sie muss Erklärungen liefern, sie muss die Nachhaltigkeit der beschriebenen Phänomene aufzeigen, sie muss das Erzählte in Kontexte einbetten, sie muss in diachroner Perspektive die Ursachen für den allenthalben beobachtbaren gesellschaftlichen, kommunikativen und medialen Wandel benennen.

Es versteht sich von selbst, dass Entsprechendes leichter zu fordern als einzulösen ist, denn es gibt trotz zahlloser Vorarbeiten etliche Desiderate: Schon für eine Kommunikationsgeschichte im engeren Sinne lassen die Wissenslücken sich kaum aufzählen – nicht zuletzt wegen überlieferungsbedingter Fehlstellen. Dass die Kommunikationsgeschichte im Unterschied zu den anderen kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen keine Daten generieren kann, sondern damit vorlieb nehmen muss, was in Archiven und Bibliotheken erhalten geblieben ist, braucht nicht eigens ausgeführt zu werden.

Für eine Mediengeschichte im engeren Sinn fehlt es v.a. an gründlicher Medienstrukturgeschichte. Zwar ist vielerorts, nicht zuletzt in Wien (Wolfgang Duchkowitsch, Fritz Hausjell, Bernd Semrad, Gabriele Melischek und Joseph Seethaler) dazu schon etliches geleistet worden, aber wir wissen immer noch zuwenig, um die „(Medien-) und Kommunikationsgeschichte endlich zu schreiben“ (Wolfgang R. Langenbucher). Das betrifft sowohl Nachzeichnungen der äußeren Form der Presseprodukte als auch der Eigentumsverhältnisse, der Konzentration der Medienlandschaft ebenso wie Programmgeschichten von Hörfunk und Fernsehen, obwohl auch hier schon vieles zusammengetragen wurde. Dazu gehört m.E. auch die Frage, wie groß die Redundanz bzw. Konsonanz der Berichterstattung in den Medien zu verschiedenen Zeitpunkten gewesen ist? Wir wissen über diese genuin kommunikationswissenschaftliche Frage schlichtweg nichts. Zu einer Geschichte der öffentlichen Kommunikation wurde insbesondere in der Propagandaforschung vieles erforscht. Im diesem Zusammenhang würde mich insbesondere interessieren, ob und wie sich Informations- und Entscheidungsfindungskosten für historische Zeiten erheben lassen und wie sie sich in bestimmten Epochen und Gesellschaften entwickelten.

Der Fachgeschichte unserer eigenen Disziplin, einer weiteren Kommunikationsgeschichte im engeren Sinn, für die sich in den letzten Jahren auch der AHK, die Fachgruppe Kommunikationsgeschichte und medien & zeit immer wieder stark gemacht haben, geht die Arbeit ebenfalls nicht aus: Nicht zuletzt, weil immer mehr Fachgeschichte hinzukommt. Die Kenntnis von der „empirischen Wende“ der Kommunikationswissenschaft ist beinahe Allgemeingut geworden. Dennoch würde mich hier noch detaillierter interessieren, wie es zu ihr kam? Warum die Kommunikationsgeschichte im weiteren Sinne heute in etlichen kommunikationswissenschaftlichen Instituten leider nur noch Beiboot- oder „Nice to have“-Status besitzt, aber nicht mehr integral für unser Fach erscheint.

Ich wünsche AHK und medien & zeit weiterhin viel Engagement und Erfolg in dem Bemühen, die Relevanz der Kommunikationsgeschichte im weiten Sinn zu betonen und ihr wieder etwas mehr Gewicht in der allgemeinen Kommunikationswissenschaft zu verschaffen.