Wolfgang Gippert: „Pioniere unseres Volkstums“ Kulturimperialistische Agitation der deutschen Journalistin Leonore Nießen-Deiter im frühen 20. Jahrhundert

Einleitung: Die historische Genderforschung untersucht in jüngster Zeit vermehrt die Beteiligung von Frauen in konservativen, deutschnationalen und völkischen Organisationen und Gruppierungen zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Das Interesse gilt dabei vorrangig dem facettenreichen Spektrum von Vereinen, Verbänden und schließlich auch Parteien, in denen radikale Nationalistinnen’ politische Aktivitäten entwickeln und entfalten konnten, den verschiedenen Agitationsformen und Handlungsmöglickeiten in der Öffentlichkeit sowie der ideologischen Basis und den differenten Diskursen, in denen sich antifeministische, nationalistische, völkischrassistische wie auch antisemitische Einstellungen und Selbstpositionierungen von Frauen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert widerspiegeln. Im Zuge der sozialgeschichtlichen Verortung von Frauen im konservativen Milieu ist ein sehr differenziertes Bild zu den Organisationsformen und Tätigkeitsfeldern von Frauen im rechten politischen Spektrum entstanden: Zur Zeit des Kaiserreichs sammelten sich konservative Aktivistinnen vorrangig in nationalistischen Agitationsvereinen, karitativen und protestantischen Frauenverbänden sowie in bürgerlichen Berufsorganisationen, die dem Bund Deutscher Frauenvereine angeschlossen waren, dem Dach verband der bürgerlichen Frauenbewegung. Gerade die vermeintlich unpolitischen Organisationen im wohlfahrtspflegerischen Bereich übernahmen eine wichtige Rolle bei der Politisierung von Frauen. Sie boten ihnen häufig erstmals die Möglichkeit, die Grenze von der Privatheit in die Öffentlichkeit zu überschreiten und soziale wie auch vaterländische Aufgaben zu übernehmen. Vor allem der Ersten Weltkrieg eröffnete national gesinnten Frauenvereinen eine ganze Reihe neuer Handlungsfelder an der „Heimatfront“ – in der Verwundetenpflege, durch Spendensammlungen, Feldpostpäckchen u.ä. In der Weimarer Republik entwickelten konservative und völkisch orientierte Frauen schließlich auch dezidiert parteipolitische Aktivitäten. Als Dachverband nationalistischer Frauenorganisationen wurde 1920 der Ring nationaler Frauen ins Leben gerufen, der für Frauen der politischen Rechten eine Alternative zur Mitgliedschaft im Bund Deutscher Frauenvereine bot…