Michael Busch: Organisation durch Propaganda Zur Begründung der Massenbeeinflussung bei Johann Plenge

Einleitung: 

„Wie wir es sehen, steht die „Idee“ über dem allen. Die Idee schafft die Organisation, wenn sie sich durch Propaganda auswirkt, und hält die Organisation lebendig, wenn sie durch Erziehung und Werbung dauernd an alle einzelnen herangetragen wird […].“
Johann Plenge

Der Nationalökonom und Soziologe Johann Plenge (1874 bis 1963) galt in der historischen Forschung lange Zeit als weitgehend unbekannt. Wohl wurde er häufig genannt, doch ging seine Bedeutung kaum über den Rahmen einer „Erwähnungsgröße“ hinaus. Seit wenigen Jahren wird jedoch Plenges intellektuelles Engagement während des Ersten Weltkrieges wieder verstärkt untersucht (vgl. hierzu Hoeres, 2004; Bruendel, 2003; Müller, 2001; Beßlich, 2000; Flasch, 2000; Verhey, Bauer, 2000). Es ist somit nicht verwunderlich, dass in diesem Zusammenhang auch andere Wissenschaftsdisziplinen auf die Ausführungen des zu seiner Zeit wirkmächtigen Professors zurückgreifen. So haben auch die Kommunikationswissenschaften Plenges frühe Ausführungen zur theoretischen Begründung von Propaganda für sich entdeckt (vgl. Liebert, 2003; besonders auch Bussemer, 2005).

Dieser Aufsatz hat sich zum Ziel gesetzt, die Beziehung zwischen Plenges Organisationsmodell und seinen Ausführungen zur Propaganda vertiefend zu betrachten. Der Historiker Thymian Bussemer aus Frankfurt an der Oder hat auf diesen Zusammenhang bereits hingewiesen. Darüber hinausgehend soll hier jedoch dargelegt werden, dass Organisation und Propaganda bei Plenge keine getrennten Systeme bildeten. Vielmehr ist zu zeigen, dass die Propagandakonzeption Plenges – sowohl in ihrem Ansatz als auch in ihrer Struktur – einzig aus seiner Organisationslehre heraus verstanden werden kann und dass die Integration dieses Kommunikationsansatzes allein aus einer systematischen Neujustierung seiner Gesamtkonzeption notwendig wurde.

Um dieser These nachzugehen, wird im Folgenden versucht, einen theoretisch-systematischen Zugang mit dem historischen Rahmen und den gewonnenen Erfahrungen Plenges zu verknüpfen. Auf der Folie von Plenges Organisationslehre und seinen Vorstellungen vom Individuum sollen zu Anfang die konzeptionellen Grundlagen seiner Sozialtheorie aufgezeigt werden. Hier lassen sich bereits strukturelle Voraussetzungen verorten, die einen kommunikationstheoretischen Ansatz notwendig machten. Unter Bezugnahme auf den Briefwechsel mit dem Unternehmer Ludwig Roselius (1874 bis 1943) werden daran anschließend die Umstände dargelegt, die Plenge auf das Feld der Propaganda verwiesen. Im Anschluss daran wird anhand der inhaltlichen wie strukturellen Elemente von Plenges Propagandavorstellung deren fundamentale Verflechtung mit seiner Organisationslehre verdeutlicht. Seine theoretische Entwicklung wird am Ende mit den Erfahrungskontexten Plenges in Beziehung gesetzt, um die systematische Neujustierung – als deren Ausdruck die Integration von Propaganda zu verstehen ist – auch historisch zu begründen. …