Abstract
Die von Karl Bücher 1915 an der Universität Leipzig initiierte Gründung eines Instituts für Zeitungskunde gilt als organisatorischer Nukleus der fachlichen Institutionalisierung der Zeitungskunde und damit als institutionelle Wurzel der kommunikationswissenschaftlichen Fachtradition in Deutschland. Ausgehend von der These, dass Gesellschaft und Wissenschaft interdependent sind und sich in der Entwicklung und dem Wandel von Disziplinen und ihren institutionalisierten Strukturen spezifische Spannungsfelder aus Ideen, Ideologien und Interessen herausbilden, unternimmt der Beitrag eine konzentrierte Zusammenschau von 100 Jahren Leipziger Fach- und Institutsgeschichte in fünf Etappen: (1.) Büchers Idee und die Institutsgründung (1915-1926); (2.) theoretische Fundierung der Zeitungskunde als Wissenschaft durch Erich Everth (1926-1933); (3.) nationalsozialistische Ideologisierung und Instrumentalisierung unter Hans Amandus Münster (1933-1945); (4.) Rekonstitution nach 1945 und Re-Ideologisierung zur „Sozialistischen Journalistik“ (1945-1989); (5.) Abwicklung der „Sozialistischen Journalistik“ nach der politischen Wende 1989/90 und Neugründung eines integrativen Viel-Felder-Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft (1989-1993).