Die Sonderausgabe von medien & zeit figuriert als Begleitheft zur Ausstellung „Von der Propagandamaschinerie zur Kommunikationswissenschaft“, die einen Beitrag des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien zum 650-Jahr-Jubiläum der Universität Wien darstellt. Sie visualisiert die Geschichte des Instituts seit seiner Eröffnung 1942 inklusive einer 1936 etablierten außeruniversitären Vorgängereinrichtung. Die Ausstellung wird am 24. September 2015 eröffnet und bis 25. Februar 2016 zu besichtigen sein. Aufgrund der Beengtheit räumlicher Gegebenheiten ist die Ausstellung auf drei Ebenen des Hauses verteilt. Sie beginnt in der Media-Lounge (Erdgeschoß) des neuen Hauses in der Währingerstraße 29 und geht im 3. und 7. Stock des Instituts weiter.
Die Konzeption der Ausstellung ist darauf ausgerichtet, keine „folkloristischen“, romantisierenden Eindrücke von Entwicklungen am Institut zu offerieren. Vielmehr ist sie darauf abgestellt, Ideen von Pierre Bourdieu im Buch „Homo academicus“ (1988) sowie im Buch „Vom Gebrauch der Wissenschaft“ (1998) zu integrieren. Substanzielle Grundgedanken der Ausstellung orientieren sich neben der Literatur über die Institutsgeschichte stark an Ausführungen von Michael Meyen und Maria Löblich im Band „80 Jahre Zeitungs- und Kommunikationswissenschaft in München“, 2004. Meyen und Löblich beschäftigten sich in diesem Band mit drei Fragen: Warum Institutsgeschichte, warum Bausteine, warum gerade diese? Ihre Antworten: Ein Blick in die Vergangenheit des eigenen Fachs bedeutet Hilfe, Wurzeln von Kontroversen erkennen und damit rationalisieren zu können. Ein solcher Blick habe „therapeutische Effekte“. Ein Blick in die Vergangenheit dürfe sich nicht bloß auf kognitive Prozesse und normative Ebenen richten. Denn dann gerate er zu kurz, lasse er doch die institutionelle Ebene außer Betracht. Zu dieser zählen laut Meyen und Löblich die Biographien der leitenden akademischen Akteure, die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Personal und Räume) sowie die Beziehungen zu anderen akademischen Disziplinen sowie zur „Praxis“, das Ansehen eines Fachs an der Universität sowie der gesellschaftliche Problemlösungsbedarf, der in ein Institut hineingetragen wird. Und nicht zuletzt das Faktum, dass bei einer relativ jungen und kleinen Disziplin, wie es die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ist, einzelne Wissenschaftspersönlichkeiten starken Einfluss auf die Entwicklung eines Instituts haben.
In der Media-Lounge präsentiert die Ausstellung ein Panorama, das vom Selbstverständnis der Zeitungswissenschaft im Austrofaschismus über die Gründung des Instituts im „Dritten Reich“ bis zu Entwicklungen am Institut in der jüngsten Vergangenheit reicht. Die BesucherInnen der Ausstellung in der Media Lounge erwartet überdies ein Video-Loup. Es offeriert Ausschnitte aus Produktionen des utv (Universitätsfernsehens), die Studierende des Instituts in den 1990er Jahren geschaffen haben. Im 3. Stock präsentiert die Studienvertretung IG Publizistik ihr historisch gewachsenes Selbstbild. Im 7. Stock setzt die Ausstellung zwei Schwerpunkte. Der erste liefert ergänzende sowie pointierte Details zu der in der Media-Lounge vermittelten Geschichte des Instituts ab seiner Eröffnung 1942 bis zum Ende der Leitertätigkeit von Kurt Paupié 1981, der als erster in der Reihe der Institutsvorstände ein Ordentliches Ordinariat bekleidet hatte. In diesem Abschnitt der Ausstellung wird unter anderem auf die perfekt gelungene Indoktrination der Studierenden im „Dritten Reich“ sowie konträr dazu auf die Kritik von Studierenden an der Didaktik und am Inhalt von Lehrveranstaltungen in den frühen 1970er Jahren aufmerksam gemacht. Der zweite Schwerpunkt verschafft eine Zusammenschau von wichtigen Forschungs- und Publikationstätigkeiten seit der 1984 erfolgten Übernahme der Leiterfunktion durch Wolfgang R. Langenbucher. Dieser positiven Bilanz von Leistungen des Instituts steht in diesem Abschnitt der Ausstellung der 2006 unternommene Versuch von Langenbucher gegenüber, das Rektorat mithilfe eines 102 Seiten starken „Forschungsprofils“ endlich zur Lösung der längst schon fällig gewesenen personellen und räumlichen Probleme des Instituts zu bewegen.
Im Verlauf der letzten Jahre sind die in internationalen Kooperationen durchgeführten Forschungsprojekte und die wissenschaftliche Strahlkraft des Instituts in der europäischen scientific community stark angewachsen. Viele junge MitarbeiterInnen (sei es auf einer prae-doc- oder einer post-doc-Stelle) haben wesentlich zu einer breiten und tiefgreifenden Prosperität beigetragen des Instituts. Diese kann die Ausstellung aufgrund ihrer zeitlich weit zu spannenden Dimension und der räumlichen Beengtheit im 7. Stock andererseits leider nicht aufgreifen. Sie könnte allerdings in einer nachfolgenden Exposition visualisiert werden, die sich auf aktuelle Forschungsleistungen konzentriert.
Der erste Beitrag in der Sonderausgabe stammt vom Leiter der Ausstellung. Er referiert zunächst die Bedeutung der Zeitungswissenschaft im Austrofaschismus sowie nach dem „Anschluss“ am 1942 offiziell eröffneten Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Wien. Der Beitrag setzt mit einer Darstellung des Instituts in der langen Nachkriegszeit fort und liefert mit einer Fokussierung der Institutsgeschichte auf Aktivitäten und Ansichten von Kurt Paupié eine nicht verzichtbare Aufgabe ab. Den Abschluss des Beitrags liefert eine Betrachtung von schweren Bürden, die auf dem Institut trotz vieler erfolgreicher Initiativen und international beachteter Forschungsleistungen während der Vorstandszeit von Langenbucher lasteten. Von diesen Bürden konnte sich das Institut erst allmählich unter der Institutsleitung seines Nachfolgers Hannes Haas befreien. Der Beitrag folgt zur Gänze weitgehend der im Anhang angegebenen Literatur.
Maria Wrona, großartige Mitarbeiterin bei der Gestaltung der Ausstellung, nimmt sich auf Basis von Quellen im Archiv der Universität Wien eines Eklats am Institut für Zeitungswissenschaft im „Dritten Reich“ an. Ihr Beitrag zeigt auf, dass der Institutsvorstand Karl O. Kurth in der StudentInnenschaft nicht nur Adepten seiner Lehre hatte, sondern auch einen exponierten Widersacher seiner Lehre und Person. Jutta Doppelreiter und Ao Zhou, beide Mitglieder der Studienvertretung IG Publizistik, schildern in ihrem anschaulich verfassten Beitrag, wie die IG Publizistik basisdemokratisch entstand und auf welche Initiativen und großen Erfolge sie in ihrer 26-jährigen Arbeit zurückschauen kann. Ehemalige Mitglieder der IG Publizistik kommen dabei zu Wort.
Den Abschluss der Sonderausgabe bilden Ausführungen von Thomas A. Bauer, seit 2013 am Institut emeritiert, zu drei sehr großen Themen: Praxisorientierung, Internationalisierung und kulturtheoretische Perspektive der „Wiener Publizistikwissenschaft“. Er verzichtet dabei ganz bewusst auf die Nennung von Personen sowie auf die Angabe von Positionen und Funktionen. Ihm geht es ausschließlich um Ideen-Modelle und Konzepte von Nachhaltigkeit, um historisch motiviertes Lernen und historisch-dialektisch entwickelte Identität. Sein ambitioniertes Denken und Tun als zweiter Ordinarius am Institut seit 1993 neben Wolfgang R. Langenbucher gießen sich in diese Ausführungen ein. Seine bescheiden bloß als „Anmerkungen“ zur „Biografie des Instituts im Kontext des Bemühen um eine nachhaltige Geschichte“ apostrophierten, an den Beginn des Beitrags gestellten breit gefächerten Überlegungen enthalten reichhaltigen Nähr- und Nachdenkstoff. Ebenso Zündstoff für das Projekt einer zukünftig zu schreibenden „großen“ und „neuen“ Geschichte des Instituts, wenn einmal Wagemut für ein solches Unternehmen ohne Vorbild aufkommt, angemessene Zeit, qualifizierte MitarbeiterInnen und finanzielle Ressourcen gefunden werden können.
Wolfgang Duchkowitsch & Christina Krakovsky